Sulzberger Geschichten
Erinnerungen, Erlebnisse und Dokumentationen aus meinem
Leben und meiner Heimatgemeinde Sulzberg
Konrad Blank
Februar 2021
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Inhalt
Ein persönliches Vorwort
Das einfache Leben der Bauernfamilien früher
Die Volksschule in meiner Schulzeit
Das Leben früher und heute
Die drießger Johr vum letschte Johrhundert
Die Maria-Anna Wurm´sche Stiftung
Meine Erinnerungen an beide Weltkriege
Einige Sulzberger Originale und Schmugglergeschichten
Die Stickerei als Zuerwerb in der Landwirtschaft
Der lateinische Wirt
Die Raid-Mühle in Hermannsberg
Das Sulzberger Armenhaus
Waldburga Baldauf – eine stille Heldin
Die Entwicklung der Landwirtschaft
Die Anfänge der Mechanisierung in der Landwirtschaft
Milchwirtschaft im Wandel
Milchbauern und Sennereien
Wasserversorgung
Materialseilbahnen
Alte Fuhrwege nach Sulzberg
Straßen und Wege
Die Familien Blank und Vögel
Mein Lebenslauf
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Ein persönliches Vorwort
Wer bald 90 Jahre alt wird, hat Vieles erlebt. Das kann ich auch von mir
sagen. Und ich hatte in meinem Leben - neben einigen traurigen Ereignissen -
auch oft viel Glück. Zum Glück in meinem hohen Alter gehört auch, dass
meine körperliche und geistige Verfassung noch sehr zufriedenstellend ist.
So habe ich es mit Mitte 80 Jahren auch noch geschafft, den Umgang mit
einem Computer zu erlernen. Er hat mir sehr geholfen, mit vielen Personen in
Verbindung zu bleiben, mir Informationen zu beschaffen und Texte zu
schreiben. In den letzten Jahren war es mir ein besonderes Anliegen, meine
Zeit zu nutzen um einige meiner Erinnerungen und Erfahrungen oder einfach
nur alte schon fast vergessene Themen der Nachwelt zu erhalten. Besonders
im denkwürdigen Corona-Jahr 2020 hatte ich viel Zeit dafür.
Mein Interesse gilt vor allem Themen aus meiner Heimatgemeinde Sulzberg,
in der ich mein langes Leben zu Hause bin. Es hat sich sehr viel entwickelt im
Laufe der letzten 90 Jahre: in meiner persönlichen Umgebung am Sulzberg,
beim Leben der Menschen hier, in der Landwirtschaft und in vielen anderen
Lebensbereichen. Einiges davon habe ich hier festgehalten. Vieles stammt
aus eigener Erinnerung und Erkundigung. Auch habe ich in einigen Archiven
nachgeschaut und dort Informationen geholt.
Ich danke allen, die mich dabei unterstützt haben. Martha Bereuter danke ich
für das Schreiben vieler Texte. Meine Handschrift ist nicht immer ganz
einfach zu lesen. Vieles habe ich ihr auch diktiert. Danke für viele Stunden
Arbeit! Dank auch an Erwin Steurer in der Gemeinde Sulzberg für seine
Unterstützung und die Veröffentlichung mancher Texte auf der homepage
der Gemeinde Sulzberg. Ich danke allen, die mich bei meinen Recherchen
unterstützt haben. Es waren Ernst Wirthensohn, Hermann Sinz, August
Dorner, Hedwig Maurer, Dr Stefan Schwärzler und nicht zuletzt mein
verstorbener Cousin Gebhard Blank, der für das Pfarr- und Gemeindearchiv
Sulzberg sehr Vieles geleistet hat. Und zuletzt auch Dank an meinen Sohn
Thomas für die Unterstützung bei den Texten und der Veröffentlichung.
Ich darf im März des Jahres 2021 meinen 90. Geburtstag feiern. Es freut mich,
dass ich dazu meinen Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden dieses
Heft übergeben darf. Ich hoffe, es weckt Interesse, macht Freude und kann
so einiges, was mir wichtig war und ist, für die kommenden Generationen in
Erinnerung behalten.
Konrad Blank
Sulzberg, im Februar 2021
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Das einfache Leben der Bauernfamilien in früher Zeit
Mai 2020
Im Jahre 1935 gab es in Sulzberg 204 Bauern die Milch lieferten. Die
gelieferte Milchmenge betrug 2,8 Mio. Liter. Das heißt, der Durchschnitt der
Liefermenge lag pro Bauer etwas unter 14.000 Liter. Die Schwankungsbreite
lag zwischen 3.000 und 50.000 Liter.
Wie konnte der überwiegende Teil dieser Bauern mit ihren meist großen
Familien überhaupt leben? Nur mit einem geringen Einkommen aus dem
Milchverkauf und ohne jede Zuwendung der öffentlichen Hand. Dazu möchte
ich einige Gründe anführen.
Viele Ausgaben von heute gab es nicht. Man hatte meistens keine Zeitung,
keinen Radio, keine Müllabfuhr, versichert war man nur gegen Feuer, man
kaufte kein Klopapier und keine Kosmetikartikel. Eine Wassergebühr gab es
auch nicht. Kleidung und Schuhe hatten eine längere Lebensdauer. Man hat
diese auch geflickt.Die Selbstversorgung war besser als heute. Es gab Obst
und Beeren. Im Garten wuchsen Salat, Bohnen, Kraut und gelbe Rüben, man
erzeugte Most und Schnaps.
Beim Kochen setzte man auf bescheidene Kost. Es gab meistens folgende
Speisen: Krazat (Kaiserschmarren), Rallemus (Mehl und Salz und Butter
darüber), Brennter (aus gequetschtem Hafer, darüber Schmalz), Stopfer
(meistens aus Maismehl), Schnitz und Kichera (Dörrobst und Bohnen),
Krutknöpfle, Grumperemus (aus Kartoffeln mit Butter abgeschmälzt), Zigere,
Schotter (geronnene saure Milch), Schliefernudla.
Dies eine Auswahl von Speisen, die aus meist eigenen Produkten hergestellt
wurden und deshalb sehr billig waren.
Gekauft werden mussten also nur sehr wenige Dinge. Und diese nur, wenn
sie wirklich notwendig waren zum Leben und Arbeiten.
Gekauft werden mussten Kleidung und auch Arbeitsgeräte wie zB:
Werkzeuge, Nägel, Haftklammern, Stacheldraht. Dies musste in Bregenz
gekauft werden. Später waren diese Artikel zum Teil auch in Sulzberg bei
Artur Nussbaumer zu bekommen.
Auch verschiedene Lebensmittel mussten gekauft werden. Jene, die nicht
selber am Hof hergestellt werden konnten. Ab wann es in Sulzberg
Lebensmittelgeschäfte gibt, ist mir nicht bekannt. Zu meiner Jugendzeit gab
es im Gemeindegebiet sechs Geschäfte. Dies waren das Geschäft Wörndle
dies stand dort wo sich heute der Parkplatz vom Alpenblick befindet. Ein
weiteres Geschäft war jenes von Josef Schmid, durch Heirat mit der Wörndle
Tochter Hilda kam dieses später in den Besitz der Wörndle Familie (heute
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ADEG Geschäft). Ein weiteres Geschäft war jenes von Dorner Badhaus. In
Eschau führte die Familie Baldauf ein Geschäft. Ein weiteres war in
Müselbach im kleinen Hause Maurer (oberhalb des Eibele Wasserfalles). In
Thal gab es im Gasthaus Krone ein Lebensmittelgeschäft.
Einkaufsmöglichkeiten gab es also zur Genüge.
Was kaufte man dort ein? Es gab keine verpackte Ware wie heute. Die
Lebensmittel wurden in Säcken oder Schubladen angeboten, vornehmlich
Mehl, Nudeln, Reis, Zucker, Griesmehl, Salz und Soda. Da es keine
Krankenversicherung gab, musste natürlich auch für den Arzt in bar bezahlt
werden. Die Ärzte hatten meist eine soziale Ader. Wenn Not zu sehen war
haben sie teilweise oder ganz auf das Honorar verzichtet.
Eines muss auch beachtet werden: Das Preisverhältnis zwischen
landwirtschaftlichen Produkten und Waren für den täglichen Bedarf und auch
Dienstleistungen war zugunsten der Bauern viel besser als heute. Natürlich
brauchten die kleinen Bauern auch Zuerwerbe. Einige stechen im
Amtskalender von 1930 besonders heraus. Es gab in Sulzberg damals
folgende Berufe die meist im Nebenerwerb betrieben wurden: 11 Tischler, 10
Viehhändler, 4 Holzschuhmacher, einige Heugeschirrmacher, viele Sticker in
Heimarbeit. Es gab in Sulzberg damals 4 Stickfergger. Diese vermittelten
Stickarbeiten von Schweizer Fabrikanten zu den Heimarbeitern und brachten
die fertige Ware wieder zurück.
Dies sind einige Darstellungen des einfachen Lebens der Bauernfamilien in
früheren Jahren. Sie zeigen, dass auch mit wenig Geld ein Überleben möglich
war.
Postkarte Sulzberg, Ulrich Aubert Lauratal Ravensburg, ca 1910 (volare)
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Die Volksschule in früherer Zeit
April 2020
Im Jahre 1770 erklärte die Kaiserin Maria Theresia die Schule als
Angelegenheit des Staates. Im Jahre 1774 wurde die allgemeine Schulpflicht
eingeführt. Vor dieser Zeit gab es schon cirka 200 Jahre Schulen. Diese
wurden von den Gemeinden betrieben, es gab aber keine Schulpflicht. Über
Lehrpläne und Lehrmittel sowie über die Anstellung von Lehrern entschied
die Gemeinde im Einvernehmen mit dem Pfarrer. Diese
Entscheidungsbefugnis wurde durch die staatliche Schule der Gemeinde
entzogen. Diese Neuerung führte in verschiedenen Gemeinden zu Protesten.
Am Sulzberg kam es zum bekannten Schulstreit. Sulzberg ist durch dieses
Geschehen unrühmlich in die Geschichte eingegangen.
Die Schulorganisation nach dieser Zeit
In Sulzberg gab es vier Volksschulen, dies waren Sulzberg Dorf,
Hermannsberg, Thal und Moos. Meine Schule war Hermannsberg. Vor 1770
wurde diese Schule in einem gemieteten Raum in einem Bauernhaus geführt.
1893 kam es zum Bau einer neuen Schule, es wurde Raum für zwei
Schulklassen geschaffen. Neben dem Schulgebäude wurde im Jahre 1913 ein
Haus mit einer Wohnung für einen Lehrer gebaut. Ich wurde im Jahre 1937
eingeschult, zu dieser Zeit wurde die Schule zweiklassig geführt, es gab zirka
70 Schüler. Die Schule war aus Holz gebaut, die Einrichtung sehr bescheiden.
Es gab gezimmerte Schulbänke, ein Pult für den Lehrer, darauf Kreide, Griffel
und einige Hefte, dazu einen Stock für bestimmte Zwecke. Es gab eine
Schreibtafel mit Kreide. Im Klassenzimmer stand ein eiserner Ofen, in der
Nähe dieses Ofens war es heiß, an der Fensterreihe eher zu kalt. Dass es ein
Plumpsklo gab, verriet der Geruch im Hausgang.
Der Spielplatz war ein aufgelassener Steinbruch, die abgebaute Fläche war
eben, auf dieser wurde Völkerball gespielt. Das übrige Gelände war Fels und
Wald, dieser Freiraum wurde von uns Schülern gerne genutzt, es war Natur
pur.
Unser Schulweg
Dieser führte über Wiesen über ein Stück Wirtschaftsweg, eine steile
Viehweide dann waren wir 150 Meter vor dem Schulhaus. In 20 Minuten
waren wir in der Schule. In unserer Parzelle Holderegg gab es damals 14
Schüler.
Der Lehrbetrieb
Wir hatten einen vorbildlichen Lehrer. Ich wundere mich heute noch wie
diese große Schülerzahl in zwei, später einer Klasse bewältigt werden konnte.
Die Hauptlehrfächer waren Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion. Viel
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Wert legte man auf schönes und fehlerfreies Schreiben und auf
kalkulatorisches Rechnen, zur Verfügung stand ein hölzerner Rechenschieber.
Die Schriftform war damals Kurrent.
Die Schulkinder in Hermannsberg ca im Jahre 1943
Im Jahre 1942 mussten wir uns auf die deutsche Schrift umstellen. Dass wir
Kurrent schreiben gelernt haben, empfinde ich heute noch als Vorteil. Alte
Dokumente sind ohne diese Kenntnisse kaum lesbar. Einmal in der Woche
gab es in der im Jahre 1932 gebauten Theresienkapelle einen
Schülergottesdienst.
Wir Schüler mussten damals neben der Schule zuhause fest anpacken, dies
besonders zur Heuzeit. Auch der Schulleiter ging zu Heuzeit am Morgen um 5
Uhr mit dem ersten Motormäher den es gab zu den Bauern um zu mähen.
Abschluss der Volksschule
Das letzte Schuljahr ist für mich nicht in guter Erinnerung. Unser langjähriger
Schulleiter musste zum Militärdienst einrücken. Als Ersatz kam eine schon
pensionierte Lehrerin. Diese wurde von uns auf Grund ihres Verhaltens wenig
akzeptiert wir spielten oft auch Streiche mit ihr. Offensichtlich genügte das in
den 7 Jahren zuvor Gelernte um im Leben zurecht zu kommen.
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Das Leben von betagten Menschen früher und heute
April 2020
Die heute betagten Menschen haben eine Entwicklung mitgemacht, wie es
sie vorher nie gab. In einem Zeitraum von 70 bis 80 Jahren hat sich früher
Unvorstellbares getan. Das frühere Leben war bescheidener als wir uns das
heute vorstellen.
Die Wohnungen bzw. deren Einrichtung war auf das Notwenigste beschränkt.
Die Küche war oft im Hausgang, es gab kein fließendes Wasser. Warmes
Wasser gab es nur im Wasserschiff, dieses war im Küchenherd eingebaut und
fasste ca 10 Liter.
Von einer ordentlichen Toilette und einem Bad konnte man nur träumen. In
der einen Wohnung lebten mindestens 2 Generationen, oft gab es dazu noch
Onkel und Tanten. Keiner war krankenversichert, dazu gab es auch keine
Renten. War wegen einer Operation ein Aufenthalt in einem Krankenhaus
notwendig, war die Bezahlung oft eine schwer lösbare Frage. Oft musste um
die Rechnung bezahlen zu können ein Stück Vieh verkauft werden. Eine
Geburt fand im Gaden (Elternschlafzimmer) statt. Hilfe leistete dabei eine
Hebamme. Bei mir war es die damalige Adlerwirtin.
Es gab kein Telefon und keinen Radio. Das einzige Informationsmittel war
sofern man sich dies leisten konnte eine Zeitung. Wenn diese gelesen war
musste man sie nicht außer Haus entsorgen. Das Zeitungspapier fand
vielfache Verwendung, es diente als Anheizhilfe im Küchenherd, als Klopapier
und als Tapete in der Bubenkammer.
Die Post für Sulzberg musste beim Postamt in Riefensberg Springen abgeholt
werden. Ein Postbote mit einer Umhängetasche genügte um die Post für
Sulzberg unterzubringen. All das Geschilderte haben wir Älteren noch selbst
erlebt.
Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg brachte nach Bewältigung der riesigen
Kriegsschäden im sozialen Bereich eine Wende. Die Krankenversicherung und
die Rente für alle wurde vom Parlament möglich gemacht. Alle können heute
eine Berufsausbildung machen.
Die betagten Menschen sind heute gut aufgehoben. Es gibt vielerlei
Einrichtungen die uns Alten zu Gute kommen. Ich erwähne den mobilen
Hilfsdienst, die Hauskrankenpflege, die 24 Stunden Pflege, ein Haus für
betreutes Wohnen steht zur Verfügung. Erwähnen möchte ich auch den
Besuchsdienst. Letztlich gibt es ein bestens eingerichtetes und hervorragend
geführtes Altenheim. All diese Einrichtungen sind für jedermann zugänglich.
Viele früher bestehende Sorgen gibt es nicht mehr. Wir dürfen dankbar sein,
Nutznießer all dieser Einrichtungen zu sein.
Die gegenwärtige Corona Krise schränkt uns momentan etwas ein. Diese wird
vorbei gehen. Vielleicht gibt es auch danach gewisse Einschränkungen bei
unseren Lebensgewohnheiten - dies wäre sogar zu wünschen.
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Die drießger Johr vum letschte Johrhundert
März 2011
Diesen Text habe ich zu meinem 80. Geburtstag geschrieben. Er erzählt viel
vom Leben und Arbeiten zur Zeit meiner Kindheit in Sulzberg.
Eatz will i eu a bizle vrzelle,
Wie ma i de drießger Johr im vorige Johrhundert gleabt hot,
Was ma ket hot und was it, Wie ma gschaffet hot und ghuset,
Was ma gloubt und und ou gleabt. It alls hot si vererbt.
Uf d´Welt isch ma ku dohui im Gade.
Zu tong hot ma halt de Feanschtrlade.
D´Muottr isch krank gsi däne Zit, Fremde Wibr sind gang us und i.
Später hot ma denn erfahre, dass des d´Hebam und d´Pfleagere sind gsi.
S´Kind hot mag gnot toufe long welle, spätestens am nächste Tag,
ma hot jo it gwisst wie lang des Gschöpfle leabe ka.
U-toufta sterbe, do het ma a groß Schuldgefühl ket.
Deam Göte und dem Gotle so gnot de Bricht überbringe,
Des ischt eattamol it glei glunge.
Denn hot ma se abr mit am Ersatz beholfe.
Wichtig ischt gsi dass der reat Göte jeds Johr do gsi isch zum Klose.
Ufgwachse ischt ma sehr bescheiden,
Kui Kinderbeihilfe, kui Babynahrung, kui Pampers hot as geah.
Spielzüg hot ma ou wenig ket,
a hölzerne Kueh und a Ross und an Ball us Gummi.
Ma hot ou weniger Zit und Platz brucht um des Zieg z´vrrumme.
S´Häss und d´Schuh hond Kind vunanond übernoh,
des Ältescht hot de Vorteil ket, nommas Neus überku.
A Buebe- und a Schmelgekammer hot as geah,
die hot ma mit olta Zitunga tapeziert ket.
Zum ufs Klo gong und zum Wäsche hot ma in Schopf abe miesse.
Under de Tennesteage isch s´Plumpsklo gsi, deneabed de Brunne zum Wäsche.
Im Winter hot ma se dett it lang vrwielet, es isch dett kolt gsi und iesig.
Badet hot ma all heulig Zita, abghenkt hot ma im Kear an Winkel mit am Tuech.
Badet hot ma denn, wenn ma eh warms Wasser gmachet hot zum Wäsche,
odr ma hot grad gmetzget a Su.
Wenn ma uf Breagez usse hot miesse ga nommas tue
Denn ischt ma zum Bahnhof gloffe ge Bozenau.
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Zwoi Stunda hot ma brucht bode gnau.
Mit m Wälderbähnle isch ma ge Breagez denn ku.
Hui isch ma denn uf dem glieche Weag.
Ma hots hundsmueda gat no dertong.
Vieles vo deam ohne des ma hüt muint ma künnt numma leabe
Hot ma uifach it ket.
Kui Radio, kui Fernseh, kui Wäschmaschine, it amol a healle Elektrobire,
kui Telefon, vom am Händy gär it rede.
Kui Auto, kuin Traktor, it amol an Elektromotor.
Kui warmes Wasser vum Hahne, kuin Schneepflueg zum Bahne.
Jo, do het ma, wenn ma a Geald ket het, scho kinne spare!
Einiges hot as abr ou geah, was ma hüt numma hot,
fascht jes Hus hut a oigene Wasserquelle ket.
S´Wasser isch it allad gonz guot gsi,
wenn de Nobur doba hot bschüttet, odr as an Wolkebruch hot ket.
Lüt und Veah hond des abr zum Glück überleabt,
die Meiste hond a starks Immunsystem ket.
No nommas bsundrigs hot as geah.
Jeds Hus hot ou a oigenes Scherbeloh ket.
Zum Abewerfe hot ma weniger Züeg ket als hüt -
ou isch des meist it so giftig gsi -
sus würed die Löcher alle scho ebe wore bis hüt.
I de Schul ho ma miesse an Hermannsberg.
De Weag isch gange übr Fealder übr Kecke Tones Weag,
über Müllers Bühl, vrbei bi Zillers Wible,
denn ischt ma schon fascht gsi beim Schulhüsle.
Dett sind zwoi Klassa übranand gleage,
verbunde sind se gsi mit ar knarrige Steage.
A Plumpsklo hot as geah, des hot ma scho im Igang gschmeckt.
I de Klassa ischt an hohe isene Ofe gstong.
Am Feanstr hond d´Schuler gfrohre, am Ofe det hond se fascht gschmoret.
Zur Irichtung hot a unkomplizierte Tafel ghört,
d´Schulerbänk und a Pult, alls us deam gliche Holz.
Uf deam Pult an Griffl und a Kride,
und an Tatzosteacke für bestimmte Zwecke.
A Turnhalle hot as kuine geah.
De Spielplatz ischt am olte Stuibruch gsi.
S´Holz rundum und am Felse des reinschte Schulerparadis.
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Neabed dr Schul hot as a Kapelle geah,
jede Woche hot ma für d´Schuler a Meass det glease.
Zum heilige Geist hot ma beatet,
er möge wirke i deana Schulers Köpf.
Lehrer und Pfarrer hot ma als Respektpersona gseah.
Sie hond se ou aso gfühlt.
Ma kinnt ou säge ma hot die Herre halt gfürchtet.
Der Pfarrer, de Lehrer und die Eltre hond zoge am gliche Strick,
die Strofa wo ma kriegt hot, hot ma doui voll deckt.
I de meischte Hüser hot ma a Burerei ket,
die hot ma damals no bode primitiv betriebe.
Viel hot ma muesse am Schaffe vrliede.
Gmeit hot ma mit de Seagas,
gfuhrwerket mit am Ochse, am Ross odr am Rind.
Postkarte Sulzberg, Franz Josef Schmid, ca 1920 (volare)
Uf viela Veahwoida isch gwachse an Ma-hoha Farn,
viele Wiesa sind nass gsi und sur.
Dungt hot ma mit ar Gabl,
bschütt mit am Holzfass odr ar Trucke uf om Wage.
Kälble hot de Klos brocht, gseah hot ma de guote Ma nie.
Mit dr Kueh isch ma gange zum Stier,
triebe hot ma d´Kuh dürfe, ma hot abr it gwisst wofür.
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Gmolke hot ma vo Hond,
mit zwoi Finger odr mit der ganze Hond.
Kalbla mealke war mehmol vu Übel,
do ischt manch Mealker gfloge mitsamt deam Kübel.
S´Heu wo Küeh kriegt hond hot ma rationiert,
an köriga Wisch hot as geah und it meh.
Wenn dr Bur kurz Händ ket hot, oh weh,
denn hond Küh bläret no meh.
A Hond voll Grüsch isch s´Kraftfuettr gsi,
do dinna isch halt gsi bode wenig Energie.
S´Heue isch gsi an Vrlitt, tue hot ma alls miesse vu Hond.
Meie, zette, umkehre, loreie, wiedr zette, umkehre, zemmed schla,
uflade uf an hölzerna Wage, s´Fueder binde und strähle,
uf a schös Fuder hot ma ket an Stolz.
S´Weattr hot it allad tong wie ma hot welle,
ma ischt it witr ku trotz Schwederitter und Huize.
S´Heu isch denn numma gsi wie ma hot welle,
olt und gstearr und vrreanget, uf m Heustock bläzwiesno schimmlig dazue.
De Gloube hot ma fascht beispielhaft gleabt.
Am Morge und Zobed und zu jedem Easse a Gebeat.
Be jedem Drei-lütte beim Schaffe a Pause und an Gedanke
Dr Herrgott mög alls zum Guete lenke.
I Kirche isch ma am Sunntag z´Fuss, dafür abr zwoimol gange.
Für d´Schmelga und Buebe, für d´Wibr und d´Mä
Hot as jeweil geah an oigena Tag.
I dr Predigt hot ma idringlich gseit wie ma sött tue,
dass ma si it fürchte muss vor deam jüngste Tag.
A Mission hot ma ket alle paar Johr.
Die Prediger hond d´Höll hoiss gmachet fürwohr.
I dr Angscht hot ma gleabt wenn alls wird wohr,
vrgeasse hot ma zum Säge, dass as git an liebenda Gott.
Viel hond mir Olte erleabt i deana viele Johr.
Nix ischt me wie mir des damals hond erfahre.
So vielmol alls anderscht mache des muescht gat vrkrafte.
Kui Generation wird me so viel Umwälzendes erleabe.
Mir hond s´Privileg ket i der Zit dürfe leabe.
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Die Maria Anna Wurm´sche Stiftung
Kurzfassung meines Textes vom Jänner 2014
An der nordwestlichen Ecke des Sulzberger Friedhofs ist an der Mauer ein
Gedenkstein angebracht, welcher auf eine besondere Sulzbergerin hinweist:
„Maria Anna Wurm Adlerwirtin dahier geb. am 18. Februar 1807, gest.
am 5. November 1878.
Die Ölbergkapelle, die Volksmissionsstiftung, die reichen Spenden zu den
Kaplaneien und zur Ausschmückung der Kirche und ganz besonders die
Gründung einer Mädchen Schul- und Erziehungsanstalt, sind alles Werke
ihres Wohltätigkeitssinnes, für welchen die Gemeinde Sulzberg zu
beständigem Dank verpflichtet ist.“
Maria Anna Wurm wurde in Sulzberg im Gasthaus Adler geboren. Sie war nicht
verheiratet und die letzte Adlerwirtin Namens Wurm.
Ihr Großvater Franz Josef Wurm war beim Sulzberger Schulstreit 1774 als
Befürworter der öffentlichen Schule aufgetreten.
Im Jahr 1869 verfasste Maria Anna Wurm eine Schenkungsurkunde. In dieser
beschenkte sie die Gemeinde mit 7000 Gulden mit der Auflage, die Gemeinde
solle eine Mädchen Lehr- und Erziehungsanstalt errichten und betreiben.
Allein der grundsätzliche Gedanke einer Frau zur damaligen Zeit, die Schulung
von Mädchen zu fördern, war pionierhaft und der Zeit weit voraus.
Die Lehr- und Erziehungsanstalt für Mädchen in Sulzberg;
Foto J. Nipp Lustenau ca 1920 (volare)
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Textauszug aus der Verfügung von Anna Maria Wurm:
„Endlich will ich über mein Ableben eine private Lehr- und
Wohltätigkeitsanstalt im Orte Sulzberg begründen. In derselben sollen
Mädchen von Gemeindemitgliedern Sulzbergs, Pfarre Sulzberg-Hagen,
Thal neben erforderlicher Schulbildung in weiblichen Hand- und allen
Hausarbeiten unterrichtet und geübt, nur zu sittlich religiösen und
brauchbaren Haushälterinnen oder Dienstboten erzogen werden, und
ich setze diese zu errichtende Anstalt über Erfüllung vorstehenden
ausgesprochener Legate zur Universalerbin meines gesamten zu
hinterlassenden Vermögens als Real- und Mobiliarbesitzer. …
Hierbei will und bestimme ich, daß dieser Anstalt aus meinem
Realbesitze die Holzmark auf Bayrischem Gebiete und ein Torfmoos als
zum Zwecke derselben erforderlich, stets vorbehalten bleibe. Im
Weiteren will ich für diese Lehr- und Wohlthätigkeitsanstalt in seinen
Grundzügen zur Beachtung und Handhabung nachstehendes Programm
aufgestellt wissen. …
Durch diese lange beobachteten und wohl erwogenen Verfügungen
glaube ich den Ansprüchen meiner Verwandten gerecht zu werden und
eine Stiftung zum dauernden Wohle meiner Heimatgemeinde zu
begründen und erwarte in diesfälliger Anerkennung zur Ausführung
meines Willens die Unterstützung geistlicher und weltlicher Behörden.
…“
Erst ab dem Jahre 1877 befasste sich die Gemeindevertretung ernsthaft mit
dieser besonderen Schenkung. Es fand dort eine sehr intensive und
kontroversielle Diskussion statt.
Anschließend wurde die Schule gebaut. Nach dem Willen der Stifterin sollten
die Barmherzigen Schwestern an der Schule lehren und diese auch führen.
Pfarrer Pius Mätzler bemühte sich bei der Ordensleitung, dass Schwestern aus
Innsbruck für die Schule bereitgestellt werden.
Der Schulbetrieb wurde im Jahre 1880 aufgenommen. 19 Mädchen besuchten
als erste die neue Schule. Über den späteren Schulbesuch sind nur wenige
Zahlen bekannt. Im Jahre 1916 waren es 34 Mädchen und im Jahre 1919 waren
es 46 Mädchen.
Über den Schulbetrieb und die Tätigkeit des Stiftungskomitees gibt es ab 1885
bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg keine Aufzeichnungen mehr. Alle
diesbezüglichen Akten und Schriftstücke dürften sich im Anstaltsgebäude
befunden haben und von den Nazis dem Feuer übergeben worden sein.
Informationen über Aktivitäten des Komitees der Schulstiftung sind in
Protokollen der Gemeindevertretung, welche im Archiv in Thal verwahrt sind,
zu finden.
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Das erste Stiftungskomitee
Dem ersten Stiftungskomitee gehörten an: Pfarrer Pius Mätzler Sulzberg,
Pfarrer Martin Sinz Sulzberg-Thal, Bürgermeister Johann Georg Schmid
Sulzberg, Alt-Bürgermeister Josef Schmid Sulzberg, Johann Konrad Bechter
Sulzberg.
Nachdem die Erblasserin Maria Anna Wurm schon am 5.11.1878 verstorben
ist, lagen alle weiteren Veranlassungen, den Bau der Anstalt betreffend, in der
Verantwortung des Stiftungskomitees. Dieses hat in der Folge beispielhafte
Arbeit geleistet. Schon im Herbst 1880 konnte das beachtliche Gebäude der
Anstalt teilweise bezogen werden. Die Fertigstellung erfolgte im Sommer
1881.
Die Lehranstalt ca 1925; zwei Schulschwestern beim Eingang; Fotoarchiv Konrad Blank
Die Vergabe von Förderungen
In dieser Frage ergab sich immer mehr ein Problem, weil nach dem ersten
Stiftungsbrief nur die Mädchen in der Lehr- und Erziehungsanstalt gefördert
werden konnten. Der Stiftungsbrief wurde dann auf Antrag des
Stiftungskomitees von der Stiftungsbehörde in den Jahren 1951 und 1966
geändert bzw. den Bedürfnissen der Zeit angepasst.
Heute können die Stiftungsmittel zur Förderung der Ausbildung und Erziehung
von Jugendlichen aus der Gemeinde Sulzberg ausgegeben werden. Das
Stiftungsvermögen beträgt gegenwärtig (im Jahr 2014) rund 145.000 €. Dazu
kommen noch zwei Klaviere, welche der musikalischen Ausbildung der Jugend
von Sulzberg und Thal dienen. So erfüllt die Stiftung auch nach 135 Jahren,
wenn auch in veränderter Form und mit reduziertem Vermögen, einen
sinnvollen Zweck. Das imposante Anstaltsgebäude, in Holzstrickbauweise
erbaut, wurde Mitte der 1970er Jahre abgerissen.
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Meine Erinnerungen an beide Weltkriege
Mai 2020
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in einem Zeitraum von 31
Jahren zwei Weltkriege. Zeitzeugen aus dem ersten Weltkrieg gibt es leider
nicht mehr unter der Lebenden. Auch Menschen, die den zweiten Weltkrieg
bewusst erlebt haben, gibt es immer weniger. Diesen habe ich selber –
Geburtsjahrgang 1931 – als junger Bub erlebt, der erste Weltkrieg ist mir aus
Erzählungen von meinem Vater noch in Erinnerung.
Erinnerungen an den ersten Weltkrieg:
Aus der Familie von meinem Vater Josef Blank in Sulzberg-Holderegg mussten
alle drei Brüder - Gebhard, Alois und Josef - zum Militär einrücken.
Mein Vater Josef wurde bei Kriegsbeginn 1914 einberufen. Er diente bis
Kriegsende 1918. Im Einsatz war er in Galizien, am Isonzo, an der Bergfront in
Südtirol bis zum Ortler. Er führte damals auch ein Tagebuch. Seine
Eintragungen habe ich auch abgeschrieben und veröffentlicht. Insgesamt
mussten von Sulzberg 303 Männer einrücken, davon 201 bei der allgemeinen
Mobilisierung 1914.
Kriegstagebücher meines Vaters Josef Blank
Die Brüder Gebhard und Alois mussten zu den Stand-Schützen einrücken. Ihr
Einsatzgebiet war die Südtiroler Gebirgsfront gegen die Italiener. Diese
Beiden kamen zu Ende des Krieges durch nicht zeitgleiche Information der
beiden Fronten in italienische Gefangenschaft. Die österreichischen Truppen
wurden 1918 vom Waffenstillstand einen Tag früher informiert als die
Italiener. Die Österreicher verließen nach dieser Meldung ihre Stellungen und
liefen dann den Italienern in die Hände. Gebhard erkrankte in der
Gefangenschaft an Malaria. An deren Folgen litt er das ganze Leben.
Man kann sich kaum vorstellen was die Einrückung der Söhne für die Eltern
bedeutete. Der Vater war schon 65 Jahre alt. Das war für die damalige Zeit
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schon ein hohes Alter! Die beschwerliche Arbeit auf der Landwirtschaft
musste mit der einzigen Tochter Margaretha geleistet werden. Auf dem Hof
waren vermutlich etwas 10 Kühe zu versorgen.
Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg:
Im Jahre 1938 wurde Österreich ins Deutsche Reich integriert. Für unsere
nicht Hitler-freundliche Familie war dies eine traurige Zeit. Schon 1939 hat
Hitler in seinen Wahnvorstellungen den zweiten Weltkrieg begonnen. Dieser
endete
1945 nach dem Tod und der Ermordung von Millionen Menschen in einer
deutschen Tragödie.
Drei Brüder meiner Frau Oliva, es waren Georg, Armin und Max Fink von
Sulzberg Bucher mussten Militärdienst leisten. Nur Armin hat den Krieg
überlebt.
Die Landwirtschaft im Bucher musste mit einem gesundheitlich
angeschlagenen Vater von der Mutter und den verbliebenen minderjährigen
Kindern bewältigt werden. Die Verbindung der Familie, insbesondere der
Mutter zu den Söhnen an der Front war sehr intensiv und beispielhaft. Es gab
einen fast täglichen Briefverkehr. Diese Briefe wurden im Hause Bucher am
Dachboden verwahrt.
Ich habe etwa 50 Jahre später alle 716 aufbewahrten Briefe gelesen und
zusammengefasst. Später habe ich diese in einem Beitrag im Jahrbuch des
Bregenzerwälder Heimatpflegevereins vom Jahre 2013 beschrieben. Die
Briefe liegen heute im Archiv des Heimatpflegevereins in Egg.
Die Arbeit in der Landwirtschaft war allgemein von den verbliebenen Kräften
kaum zu bewältigen. Während des Krieges gab es zudem eine strenge
Ablieferungspflicht für landwirtschaftliche Produkte. Die Versorgungslage
wurde trotzdem immer schlechter.
Nach dem Polen- und Russlandfeldzug kamen Zwangsarbeiter aus Polen, der
Ukraine auch aus Russland in unserer Landwirtschaft zum Einsatz. In Sulzberg
waren es rund 70 männliche und weibliche Kräfte die Arbeiten verrichteten.
Die Verständigung mit Ihnen war anfangs ein großes Problem. Zu uns kam
der 17-jährige Kasimier aus Polen. Nach 6 Wochen kam er von uns weg und
wurde einem Bauern mit einer Hitler-freundlicheren Gesinnung zugeteilt.
In den Jahren 1944 und 1945 wurden meist Männer über 50 für den
Kriegseinsatz ausgebildet. Es war der sogenannte Volkssturm.
Diese Männer mussten in den oberen Vinschgau (Südtirol) zu einer sechs
Wochen dauernden Ausbildung. Scherzhaft nannte man diese Truppe den
Besensturm. Dies deshalb, weil sie Besen mitbrachten die im Vintschgau zu
kaufen waren.
20
Nun zu meinen Erlebnissen in meiner Schulzeit 1937 bis 1945.
Wir hatten bis auf das letzte Jahr eine eher geregelte Schulzeit. Der Einfluss
der Nazi-Diktatur war jedoch spürbar. Überall, selbst in den Schulen war das
lückenlose Überwachungssystem spürbar. Es kam so weit, dass man selbst
Nachbarn oder Schulkollegen nicht mehr trauen konnte, der
Überwachungsstaat war perfekt.
Zwei Erlebnisse aus dieser Zeit:
Als die Alliierten 1944 in der Normandie landeten habe ich mich in der Schule
dahingehend geäußert dass Hitler jetzt zusammenpacken könne, der Krieg
wäre verloren. Ein Mitschüler gleichen Jahrganges sagte mir danach, man
sollte dich anzeigen. Der betreffende Schüler war aus einer großen Familie.
Die Mutter erhielt von Hitler das Mutterkreuz, sie wurde zu einer Hitler-
Anhängerin. Der Überwachungsstaat wirkte also bis in die Volksschulen.
Ein anderes schon früheres Erlebnis war folgendes. Ich wurde vom Schulleiter
ins Gemeindeamt geschickt um etwas für die Schule zu erledigen. Beim
Eintritt ins Gemeindeamt sagte ich „Grüß Gott!“. Darauf fragte der
Bürgermeister „ob man in Hermannsberg den deutschen Gruß „Heil Hitler“
nicht lehre?“ Bis ich wieder komme, müsse ich den aber kennen, meinte er!
Solche Erlebnisse, wenn sie auch klein waren blieben im Gedächtnis.
Hoffentlich bleiben unsere Nachkommen von einer Diktatur mit totaler
Überwachung verschont. Wir haben es als aktive Bürger in unserer
Demokratie in der Hand solchen Entwicklungen keinen Raum zu geben.
Postkarte Sulzberg, J. Nipp 1940 (volare)
21
Einige Sulzberger Originale und Schmugglergeschichten
September 2020
Stockers Konrad
Dieser lebte in Doren, Parzelle Stocker HNr. 157 „im Seageloh“, am
Kreierbach, dem Grenzbach zu Sulzberg. Der Familienname war Buhmann.
Er betrieb dort eine kleine Säge, welche mit Wasserkraft betrieben wurde.
Zusätzlich fertigte er Holzschuhe. Man kam gerne in seine Werkstätte, weil es
dort heimelig war. Aus Käfigen zwitscherten Vögel.
Ich erinnere mich an einen Besuch in seiner Werkstätte. Ich sollte bestellte
Holzschuhe abholen. Er legte sein Werkzeug beiseite, setzte sich auf einen
Stuhl und stopfte seine Pfeife. Auf meine Frage, ob die Holzschuhe fertig,
sagte er: „jo – na“. „Ja wann denn?“, fragte ich. Er meinte dann: „Näschte
Wuche … “ und setzte kurz später dazu: „ … hinda i se“.
Konrad war ein Tierliebhaber. Eines Tages kam ein Fuchs und holte sich eine
Henne. Bruder und Schwester von Konrad wollten aufgeregt den Fuchs
verscheuchen. Konrad wehrte ab und sagte: „Lass ihm sie doch“.
Ein fast täglicher Besuch machte er bei der Nachbarsfamilie Geist in der
Parzelle Kreier. Dort gab es neben einem Tratsch einen Obstler.
Auf viel Geist war Konrad angewiesen, er tüftelte mit seinem Bruder
jahrelang am ewigen Umgang. Es sollte dies ein Rad sein, welches sich ohne
Antrieb von selbst dreht. Der Nachbar Geist brachte ihn dabei einmal in
große Aufregung. Geist erzählte ihm, dass ein anderer Tüftler nahe daran sei,
den ewigen Umgang zu erfinden. Beide sind gestorben. Das Rad dreht sich bis
heute nicht von selbst.
Österles Daniel
Dieser stammte aus der Parzelle Spähen. Im Alter wohnte er im Dorf, im
heutigen Nebenhaus von Werner Mennel. Nach ihm wohnte dort Frieda
Mennel. Daniel hatte eine auffallende äußere Erscheinung, ein langes Gesicht
mit extrem vorstehendem Kinn. Seine geistigen Fähigkeiten waren nicht
besonders entwickelt. Er war aber redefreudig und hatte einen guten Humor.
Von der Volksschule kam er einmal mit dem Zeugnis nach Hause. In diesem
Zeugnis gab es mehrere Fünfer. Er und auch seine Mutter nahmen das nicht
so tragisch. Die Mutter meinte: „Daniel, d’Hauptsach isch, dass gsund bischt!“
Bei seiner Hochzeit, er war nicht mehr der Jüngste, hat er zuhause seine
Zahnprothese vergessen. Nach cirka einem Kilometer steilen Fußwegs
bemerkte er diesen Mangel. Er schickte einen Nachbarbuben die Prothese zu
holen: „Michl, hol mer Zäh, sie sind im Nachtkäschtle i d´r untere Schublad
dinn.“ Gesagt getan, die Hochzeit war gerettet.
22
Seine Frau war von Riefensberg, auch keine Schönheit. Dazu soll er einmal
bemerkt haben: „Wie git as am Rifeschberg deanad wiescht Lit.“.
Er pflegte auch zu fragen, ob man wisse was sonderbar wäre. Seine Antwort:
„An Schiesshuffe uf am Hagpfähl domma.“ Er und seine Frau gingen ohne sich
große Sorgen zu machen humorvoll durchs Leben.
Josef Maurer, Murers Seppl
Murers Seppl, klein von Gestalt und von Kindheit an mit einer Behinderung,
lebte bei seinem Bruder auf der elterlichen Landwirtschaft in der Parzelle
Hermannsberg (heute Haus von Klaus Maurer). Seppl war im mechanischen
Bereich ein Genie. Er bastelte Werkzeug und technische Geräte. Zu dieser
Zeit, als es in der Landwirtschaft noch keine Technik gab, es war vor dem
zweiten Weltkrieg, war Seppl daran eine Mähmaschine mit Motorantrieb zu
konstruieren.
Nach vielen Versuchen war eine Mähmaschine gebaut, welche in der Praxis
funktionierte und einsatzfähig war. Seppl baute einige Exemplare, für eine
serienmäßige Fertigung zu organisieren fehlten Seppl die Voraussetzungen.
Sein Nachbar, es war der Schulleiter Franz Schwärzler von Hermannsberg,
nahm sich des Projektes an und initiierte Anträge um die Mähmaschine von
Seppl patentieren zu lassen. Viele Behördeneingaben mit technischen
Zeichnungen wurden erstellt. Durch die Kriegsereignisse wurde es immer
schwieriger zu einem Ergebnis zu kommen. Die Mähmaschine war im Einsatz.
Lehrer Schwärzler ging mit ihr am Morgen in der Früh zu verschiedenen
Bauern zum Mähen.
Erst Jahrzehnte später hat die Landmaschinenindustrie für die Landwirtschaft
Motormäher gebaut. Diese waren nicht alle für Hanglagen geeignet. Erst um
die Jahrhundertwende gab es Konstruktionen, welche jenen, die Seppl 70
Jahre früher gebaut hat, sehr ähnlich waren.
Seppl war ein Sulzberger Pionier. Ein stiller Tüftler und Erfinder.
Karl Rädler
Dieser betrieb in der Parzelle Langstein eine kleine Landwirtschaft. Nebenher
verdiente er als Zimmermann meist für Flickarbeiten etwas dazu. Im Ortsbild
ist Karl nur mehr alten Leuten bekannt. In Holzschuhen war er auf Weg. Ein
Rucksack mit den nötigen Werkzeugen, auffallend eine Spannsäge hingen an
seinen Schultern.
In Riefensberg suchte er seine Frau, er war sich aber lange nicht so klar was
er tun soll. Wie er selbst erzählte, ging er wieder natürlich in Holzschuhen zu
seiner Angebeteten. Als er bei der Theresienkapelle in Hermannsberg
vorbeiging, dachte er mit sich: „Jo abr hürote dur i di it. Und was ischt
gscheah? Dene Naht homers hürota usgmachet und as hot reat tong“.
23
Karl ist dann viel später, nachdem 2 Söhne aufgewachsen waren, in seinem
Jauchekasten ertrunken. Ein tragisches Ende.
Seine Frau soll anlässlich dieses Unglücks gesagt haben: „Es ischt dr gonz reat
gscheh, hoscht mer nie gfolget“.
Genoveva Bilgeri
Diese lebte in Hermannsberg (heute Haus Familie Bilgeri – „Gallers“) in einer
großen Familie. Genoveva war ledigen Standes und half auf dem Bauernhof
ihres Bruders mit.
In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es in unserer Gegend
noch viele Kirschbäume. Genoveva hat geholfen Kirschen zu pflücken. Es war
am Weg der nach Unterhalden führte. Auf dem Weg ging der Sulzberger
Kaplan Feldkircher. Dieser sah Genoveva auf dem Baum. Er hielt an und
sprach sie an: „Genoveva, gibt es viele Kirschen?“
Genoveva erwiderte: „Ja es geht schon, aber die Vögel des Himmels
schwärmen so arg darüber her“. Der Kaplan ging nach dieser hochdeutschen
Antwort von Genoveva weiter seines Weges.
Fluh Gottlieb
Gottlieb Bilgeri ist in der Parzelle Fluh geboren. Von der großen Familie
konnte nur einer den Hof übernehmen. Ein Schicksal von vielen. Die
Geschwister mussten sich meist als ungelernte Kräfte durchs Leben schlagen.
Gottlieb Bilgeri traf dieses Schicksal auch. Er spezialisierte sich auf die
Waldarbeit, als Taglöhner versuchte er über die Runden zu kommen. Er
wohnte in dr Parzelle Schüssel im Haus „Bäbeler“.
Damals mussten die Tannen noch mit einer Zugsäge gefällt werden. Zugsäge,
Axt und Keil, ein Räppler um die Rinde vom Stamm zu schälen waren die
Werkzeuge. Ich kann mich erinnern, mit Gottlieb noch Tannen gefällt zu
haben. Er war ein großer starker Mann mit kräftigen Augenbrauen und einem
Schnauz.
Der Sonntag war für Gottlieb langweilig. Er hockte dann viel in den
Gasthäusern. Als Kinder haben wir ihn manchmal betrunken erlebt. Für uns
waren seine Gesten und Selbstgespräche unterhaltsam. Wenn wir dabei
lachten äußerte er sich mit der Bemerkung: „Sind ihr lächrige Sieche.“
Eine Unterbrechung des Alltages war für ihn Beerdigungen von
Kriegsveteranen. Diesem Verein gehörte er an. Bei diesem Anlass gab es
meist eine Suppe und ein Bier. Anlässlich einer solchen Beerdigung tat er den
Ausspruch: „Vetraner vergrabe, des ischt halt schä.“
Einige Geschichten von der Familie Feurle in Mühnen
Es war immer so, junge Leute treiben gerne Schabernack. Mein Vater
erzählte von einem Schabernack, welchen sie mit dem Ehepaar Feurle
getrieben hätten.
24
Die Feurles sperrten bei Nacht die Haustüre nie ab. Im Hausgang stand hinter
dem Kamin ein Sack voll Mehl. Die Holderegger Buben hoben die Haustüre
aus den Angeln und lehnten diese an die Wand. Mit einem Geröll der Ziegen
machten sie dann im Hausgang Geräusche. Die schlafenden Feurles
erwachten und glaubten Ziegen wären im Hausgang und fressen aus dem
Mehlsack. Die Buben flüchteten aus dem Hausgang und beobachteten das
weitere Geschehen. Das Ehepaar Feurle wollte die Ziegen aus dem Hausgang
treiben, doch von Ziegen war keine Spur zu erkennen. Dann sahen sie die aus
den Angeln gehobene Haustüre und versuchten diese mit vereinten Kräften
wieder einzuhängen. Dies war im Dunkeln eine schwierige Aufgabe.
Sie versuchten es mit Anweisung des Mannes, diese lautete: „Du (die Frau)
unda und i oma, wenns hoscht seischts.“
An die Frau Feurle konnte ich mich noch erinnern. Sie war im hohen Alter
dement und kam zu unserer Viehweide oberhalb von Mühnen. Wir waren
dort um zu arbeiten und hatten unseren ersten Traktor dabei. Es dürfte um
1950 gewesen sein. Frau Feurle musterte mit Verwunderung den Traktor.
Dann fragte sie: „Hondr no meh dera Wäge?“
Feurles Josef auf dem Oktoberfest
Ein Sohn der Feurles von Mühnen hat auf einen kleineren Hof, welcher in der
Parzelle Langenried in Oberreute lag, eingeheiratet. Eines Tages fassen die
Bauern von Langenried den Beschluss nach München zum Oktoberfest zu
fahren. Ausflüge waren damals noch selten. Schon gar nicht kam man nach
München. Auf dem weiten Wiesengelände waren die Langenrieder auf
einem Rundgang. Da gab es so viel Neues zu sehen und Josef stellt plötzlich
fest, dass die Nachbarn nicht mehr zu sehen waren. Alleine auf der großen
Wiesn ohne einen Langenrieder Nachbar zu sehen, das war wohl aufregend.
In seiner Not begann er unter den Festbesuchern zu fragen: „Hondr kui
Langerieder gseh“?
Josef Blank, Lindengschwend - De Polder
Josef lebte in der Parzelle Lindengschwend und war Landwirt. Polder sagte
man ihm, weil ein Vorfahre Leopold hieß.
Josef verstand es besonders gut Leute zu unterhalten. Sein Einfallsreichtum
an Geschichten war sehr groß. Jedenfalls konnte er diese sehr bildhaft
erzählen. Manchmal hat er so überzogen, dass man seine Glaubwürdigkeit
begann zu hinterfragen. Für Zweifler, die manche Aussagen von ihm in Frage
stellten, hatte er recht schnell eine glaubhaftere Darstellung parat.
Einige Kostproben seiner Sprüche:
Er hat einen Sturm erlebt, dass die Tannen sich so gebogen haben, dass man
deren Gipfel in die Hand nehmen konnte.
25
Als er eines Nachts von der Geliebten auf dem Nachhauseweg war, war es so
dunkel, dass er sich nicht sicher war, die Haustüre zu finden. Fürsorglich
nahm er den Hausschlüssel in die Hand und stieß diesen nach vorne und er
war genau im Schlüsselloch.
Einmal erzählte er über seinen Traktor Steyr wie sparsam er im
Treibstoffverbrauch wäre. Er habe den ganzen Tag Mist ausgeführt und den
Verbrauch an Diesel beobachtet. Am Abend wäre fast mehr Diesel im Tank
gewesen als am Morgen.
Einmal ist Josef beim Heuschroten vom Heustock gefallen. Als er beim Fall in
Tennenbodenhöhe war habe er sich gedacht, wenn er nur schon unten wäre.
Einmal war Josef auf dem Weg nach Hause, er benutzte sein Fahrrad. In
Schnellers kehrte er noch ein. Der Nebel war so dicht, dass er an diesem das
Fahrrad anlehnen konnte.
Josef war ein anderes mal mit dem Fahrrad nach Weiler unterwegs. Er
überholte ein Motorrad und schaute am Vorbeifahren auf den Tacho des
Motorrades. Dieser zeigte Tempo 100 an.
Josef erzählte von einer intelligenten Katze. Sie ging auch nachts auf
Mäusejagd. Man ließ ihr immer ein kleines Fenster im Hausgang offen.
Täglich brachte die Katze 10 – 12 Mäuse. Diese legte sie in den Hausgang
schön nebeneinander, jede mit dem Kopf gegen die Wand, ab.
Beim Dachabschaufeln ist Josef ausgerutscht. Er erwischte noch einen
Eiszapfen um den Fall zu bremsen. Dadurch verlief der Absturz gedämpft und
ohne große Folgen.
Josef war im ersten Weltkrieg. Nach einer schweren Schlacht mit Nahkampf
machte er mit seiner Truppe einen 40 km Marsch. Nach längerem Marsch
sagte ein Wiener Kamerad zu ihm: “Herr Blank, möchten Sie nicht einmal
abladen“? Er schaute zurück und stellte fest, dass ein halber Russe an seinem
Bajonett hing.
Einmal kamen sie auf ein Schlachtfeld und gingen dort in Deckung. Dann
sahen sie, dass sich dort Raben aus halb Russland sammelten und an
liegengebliebenen toten Soldaten herumpickten.
Bei einer Ufrichtat rutschte Josef aus und stürzte vom Balken.
Geistesgegenwärtig schlug er den Zapie in die Holzwand und verhinderte den
Absturz.
Spuiz-Marte - ein Sulzberger Sonderling
Den Namen Spuiz-Marte hat man ihm wegen seiner Unsitte oft auszuspucken
„spuize“ gegeben. Er hieß Martin Kresser. Geboren wurde er am 2.10.1794 in
der Parzelle Kaltschmieden in Doren. Er war eines der 7 Kinder in der Familie.
Er lebte einspännig, das heißt ledig, in der Parzelle Hompmann in Sulzberg
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und starb dort am 2.2.1871. Spuiz-Marte war sehr bekannt, er war
schwächlich von Gestalt und arbeitete wenig. Meist war er auf Wanderschaft.
Sein Brot verdiente er mit Beten. Er machte für andere Leute Wallfahrten, 72
mal soll er in Einsiedeln gewesen sein. Oft war er auch im Wallfahrtsort
Serfaus in Tirol. Meistens ging er barfuß. Die Schuhe, meinte er, wären zu
bequem. Wenn er solche anhatte, legte er kleine Steinchen als Einlage in die
Schuhe.
Spuiz-Marte konnte sich nie satt essen, deshalb verlangte er als Lohn für sein
Beten etwas Brot zu essen, oder das Geld um solches zu kaufen. Beim
Wandern trug er in der einen Hand den Rosenkranz in der anderen ein Stück
Brot. Auf seinen Wegen achtete er darauf, dass alles in Ordnung war. Wenn
neben dem Weg ein Pfahl am Boden lag oder etwas Anderes am Weg lag
brachte er dieses zum nächsten Haus. War rund um ein Haus Unordnung,
räumte er auf. Auch in den Häusern putzte und räumte er vom Keller bis zu
Dachboden.
Wenn Spuiz-Marte in ein Haus kam und in der Stube Unordnung war, setzte
er sich erst hin, wenn alles in Ordnung war. Dieses sein Tun gefiel den
Kindern. Wenn diese den Spuiz-Marte zum Haus kommen sahen, warfen
diese die Spielsachen in der Stube herum. Marte räumte wieder auf. Wenn
ein Werkzeug im Freien oder nicht am richtigen Ort lag, brachte er alles an
seinen Platz.
Gerne kam er zur Essenszeit in ein Haus. Er wusste, dass er immer eingeladen
war. Heikel war er nicht, wichtig war, dass die Menge passte.
Einmal kam er spät abends in ein Haus wo er übernachten konnte. Man hat
ihn erwartet und hat ihm die Suppe, die mittags übrig war, ins Ofenrohr
gestellt, damit sie warm blieb.
Als er in die dunkle Stube kam rief ihm die Frau vom Schlafzimmer zu, im
Rohr steht noch eine Schüssel voll Suppe, wenn er das möge. Dafür war
Spuiz-Marte immer zu haben. Das Ofenrohr fand er, ohne Licht setzte er sich
mit der Suppe zum Tisch und aß mit Vergnügen die Suppe aus. Bevor er ins
Bett ging rief er noch ins Schlafzimmer „Vergeltsgott z´tusedmol dass ihr mir
so viel Bohna ie tong hond.“ Die Frau war betroffen, denn sie hatte keine
Bohnen in die Suppe getan. Im Ofenrohr wimmelte es jedoch von Schwaben
(Käfer), es mussten viele solche in den Suppentopf gefallen sein. Spuiz-Marte
hatte sie mit gutem Appetit als Bohnen verzehrt
Quelle: Kopie eines Zeitungsartikels (undatiert, ca 1930) von Ludwig Haller
(Schulleiter in Sulzberg Moos)
27
Sulzberg als Treffpunkt von Schmugglern
Das Gasthaus Bären in Sulzberg (heute Alpenblick) war ein Treffpunkt von
Vertretern international organisierter Schmugglerei.
Ein Schmugglerweg führte aus der Schweiz über Lustenau, Sulzberg nach
Bayern. Am Stammtisch im Gasthaus Bären trafen sich Lustenauer, welche
mit ihrem unlauteren Tun ordentlich Geld verdienten. Wenn der Tisch an
dem sie saßen wackelte, weil der Fußboden uneben war, hätten sie – so wird
erzählt – die Unebenheit unter dem Tischfuß mit Geldscheinen ausgeglichen.
Das wandelbare Bäuerlein
Ein Bäuerlein hat um seinen Lebensunterhalt etwas aufzubessern zu
schmuggeln begonnen. Eine besondere Begabung tat ihm dabei wertvolle
Dienste. Das Bäuerlein konnte sich bei Gefahr in irgendeinen Gegenstand
verwandeln. Eines Nachts war er als Schmuggler im Gebiet Hochsträß
unterwegs. Auf diesem Weg wurde er von 2 Zöllnern aufgespürt und verfolgt.
In größter Gefahr, erwischt zu werden, war er plötzlich verschwunden. Die
Zöllner, schon müde von der Verfolgung des Schmugglers setzten sich auf
den Stock. Als Trost für die erfolglose Jagd, begannen sie ihre Pfeifen zu
rauchen. Sie hatten Tabakblätter bei sich, welche sie auf dem Stock mit
einem Messer in eine brauchbare Form zu schnitzen begannen um dann ihre
Pfeifen zu stopfen. Nach der Rast machten sich die Zöllner unbefriedigt
wieder auf den Weg. Aus dem Stock wurde wieder das Bäuerlein, dieses
machte sich gefahrlos weiter auf den Schmugglerweg. Auf seinem
Oberschenkel hatte das Bäuerlein jedoch einige kleine Einschnitte vom
Tabakmesser. Jedenfalls war es aber besser so, als erwischt zu werden.
Der bestrafte Unglaube
Ein Bauer fuhr mit seinem Pferdefuhrwerk über die Grenze. Auf dem
Leiterwagen hatte er etwas Heu geladen. Ein Zöllner hielt ihn an und fragte,
ob er etwas zu verzollen hätte. Der Bauer verneinte dies. Der Zöllner wollte
dieses nicht so recht glauben und stocherte im Heu auf dem Leiterwagen
herum. Dabei stieß er auf eine Kiste. „Was ist in der Kiste?“ fragte der Zöllner.
„In der Kiste sind Bienen“, sagte der Bauer. Der ungläubige Zöllner bestand
darauf, dass die Kiste im Zollbüro geöffnet werden müsse. Beim Öffnen der
Kiste schwärmten die Bienen aus, erfüllten den Raum und stachen den
Zöllner. Dieser war wegen des üblen Streichs des Bauern zutiefst erbost. Der
Bauer meinte, dass ihn der Unglaube bestraft habe.
28
Verdächtige Töne
Eine ältere Frau betätigte sich gerne als geheime Schmugglerin. Die weiten,
bodenlangen Rücke der damaligen Frauen boten viel Raum für
Schmugglerwaren.
Eines Tages sollte sie eine etwas ausgefallene Ware über die Grenze bringen,
es war eine Zugharmonika. Die Frau band sie mit einem Spagat zusammen
und hängte sie unter ihren Rock. Genau auf dem Zollamt löste sich der
Spagat, die Harmonika dehnte sich nach unten aus und gab dabei einige Töne
von sich. Der Zöllner fragte neugierig, was das für Töne wären. Die Frau
sagte, dass bei ihr solche Töne öfters zu hören wären. Der Zöllner traute sich
nicht, nähere Nachforschungen vorzunehmen.
Der rettende Kamin
Unsere Nachbargemeinde Aach an der österr.-bayerischen Grenze war früher
selbständig. Dort gab es ein Zollamt, auch als Schmugglergemeinde war Aach
bekannt. Dort flüchtete eines Nachts ein Schmuggler von einem Zöllner
verfolgt in den Hausgang eines Gasthauses und versteckte sich hinter dem
Kamin. Wenige Augenblicke später stürmte ein Zöllner in die Gaststube.
„Frau Wirtin“, sagte er, „geben sie mir eine Laterne, aber schnell! Ich suche
einen Schmuggler. Er ist ein ganz durchtriebener Kerl.“ Die Wirtin gab ihm
eine Laterne, der Zöllner stürmte wieder zur Haustüre hinaus in die dunkle
Nacht um den Schmuggler zu suchen. Der Schmuggler hinter dem Kamin im
Hauseingang atmete erleichtert auf, er ist wieder einmal gut
davongekommen.
Sulzberg, Foto Risch Lau 1966 (volare)
29
Die Stickerei als Zuerwerb in der Landwirtschaft
August 2020
Die Wiege der Stickerei liegt im Kanton St. Gallen in der Schweiz. Schon im
18. Jahrhundert entwickelte sich dort eine industrielle Stickerei. Die Stickerei
wurde in der Folge zum wichtigsten Wirtschaftszweig der Schweiz. Um 1850
gab es in der Stickerei-Industrie 200.000 Beschäftigte. Von diesen waren 75 %
als Heimarbeiter tätig. Es war dies eine Erwerbsform, bei welcher die Sticker
den Arbeitsumfang und den Arbeitsrhythmus selbst bestimmen konnten.
Der wachsende Industriezweig brauchte immer mehr Sticker bzw.
Stickerinnen. Diese wurden in den benachbarten Ländern, Vorarlberg und
auch Baden-Württemberg gefunden. Schon im Jahre 1793 kam die erste
Schweizer Stickerin nach Schwarzenberg, um für diesen Erwerbszeig zu
werben und Stickerinnen für diesen Beruf auszubilden. Pfarrer Johann Jakob
Brändle aus Krumbach berichtete, dass dort die Kettenstickerei schon 1768
begann. Insbesondere im Bregenzerwald, mit seinen vielen kleinen
Landwirtschaften, war ein Zuerwerb willkommen. Die Stickerei war damals
reine Handarbeit. Man arbeitete am Stickrahmen oder am sogenannten
Stickstock. Ab 1860 kamen Kettenstickmaschinen auf den Markt, die sich
auch in Vorarlberg rasch verbreiteten. Schon 1887 gab es in 63 Vorarlberger
Gemeinden diese Handstickmaschinen. Ab 1910 gab es dann die
sogenannten Pariser Stickmaschinen, auch Pantograph genannt, welche über
Lochkarten oder Punsch-Karten gesteuert wurden. Um diese Maschinen
aufzustellen, waren oft bauliche Maßnahmen notwendig. Diese erforderten
einen Raum von mindestens 3 mal 5 Meter und die entsprechende
Raumhöhe.
Unter Kaiser Franz I wurde 1818 die Ein- und Ausfuhr von Baumwollstoffen
im Veredelungsverkehr zollfrei gestellt. Dies war eine echte Förderung dieses
Betriebszweiges. Diese Stickerei-Industrie erlebte durch die Jahrhunderte
Höhen und Tiefen. Neben Glanzzeiten gab es auch Krisenzeiten, ausgelöst
durch Kriege, Wirtschaftskrisen und auch Modeerscheinungen.
Die Stickfergger
Diese waren Vermittler zwischen der Stickerei-Industrie und den Stickern. Sie
brachten Halbfertigwaren zu den Stickern und brachten sie als Fertigware
wieder zu den Stickerei-Fabrikanten zurück. Die Fergger hatten auch die
Aufgabe die fertige Ware auf ihre Qualität zu überprüfen. Die Fergger waren
auch jene, welche die Sticker für ihre Arbeit bezahlten.
30
Die Finanzierung der Stickmaschinen
Eine Handstickmaschine kostete 1887 rund 3.000 Schweizer Franken. Die
Sticker mussten beim Ankauf eine Anzahlung zwischen 300 und 500
Schweizer Franken leisten. Die Restsumme wurde in Monatsraten von 30 bis
50 Schweizer Franken, je nach Vereinbarung, bezahlt.
Entlohnung der Sticker
Bezahlt wurden die Sticker nach der Anzahl von Stichen. Für 100 Stiche
wurden um 1880 rund 33 Rappen bezahlt. Aus dem Jahr 1885 wird berichtet,
dass ein guter Sticker auf rund 5 Schweizer Franken CHF Tageverdienst kam.
Die Sticker waren jedoch oft 11 Stunden an der Arbeit. Oft wurden Kinder zur
Hilfe herangezogen.
Es stellt sich die Frage, was konnte man für 5 CHF kaufen?
Eine Internet-Recherche ergab um 1884 für 5 CHF den Gegenwert von 38 kg
Schwarzbrot oder 10 kg Käse. Daraus ergibt sich heute der Gegenwert von rd
100 – 150 EURO als Tageslohn. Also eine sehr beträchtliche Summe.
Die Bedeutung der Handstickerei in Sulzberg
In Sulzberg wie auch im gesamten Bregenzerwald gab es überwiegend kleine
landwirtschaftliche Betriebe. Noch im Jahre 1935 gab es in Sulzberg 204
landwirtschaftliche Familienbetriebe, die Milch an die Sennereien ablieferten.
Die gelieferte Milchmenge betrug insgesamt pro Jahr rund 2,8 Millionen Liter.
Das heißt, im Durchschnitt lieferte ein Bauer 14.000 Liter pro Jahr. Das
ausbezahlte Milchgeld bot in vielen Fällen keine Lebensgrundlage für eine
Familie. Ein Nebenerwerb war notwendig. Neben anderen war die
Handstickerei im 18. und 19. Jh. der bedeutendste Zuerwerb.
Die Erfassung der Anzahl der Sticker in Sulzberg war eine schwer lösbare
Aufgabe. In verschiedenen Berichten wurden Zahlen von Stickmaschinen
genannt. Im Jahre 1897 verzeichnete man angeblich 21 Stück, 1908 31 Stück
und 1934 35 Stück Stickmaschinen in Sulzberg. Meiner Meinung nach war
diese Zahl viel zu klein. Ich fand meine Vermutung in einem Vermerk in einer
Schrift zur Stickerei bestätigt. Dort ist zu lesen, dass viele Heimarbeiterinnen
bzw. Stickerinnen keine Sozialversicherung kannten und auch keine Steuern
bezahlten. Aus diesem Grunde fehlten diese Sticker(innen) in den offiziellen
Statistiken. Ernst Wirthensohn berichtet im Jahrbuch von 1985, dass alleine
in Thal auf 20 Stickmaschinen gearbeitet wurde.
Nach Aufzeichnungen von Ludwig Haller, gab es um 1900 in Sulzberg 64
Sticker. Die oben genannten Zahlen der offiziellen Statistik waren also viel zu
niedrig. Diese Zahl beweist, welche Bedeutung die Stickerei als Zuerwerb für
die Landwirtschaft hatte. Der weit überwiegende Teil der Sticker waren
Bäuerinnen.
31
Aus einem Gemeinde-Sitzungsprotokoll vom 31.10.1885 ist folgendes zu
lesen: „Die Gemeinde stellt an die Post und Telegraphendirektion den Antrag,
die wöchentlich 4-malige Postzustellung möge erweitert werden.“ Die
Begründung des Antrages war, dass sich verschiedene Gewerbetriebe gut
entwickelt hätten. Besonders die Stickerei nahm hier eine führende Stellung
ein. Es gäbe in Sulzberg zum Beispiel gegenwärtig 18 Plattenstickmaschinen,
auch Pantographen genannt.
Die großen Stickmaschinen, Pantographen
Die genannten großen Stickmaschinen erforderten zu deren Aufstellung
entsprechende Gebäude. Die Mindestgröße des Raumes war 3 mal 5 Meter.
Auch die Raumhöhe musste entsprechen. Umbauten oder Neubauten waren
erforderlich. Die Standorte dieser 18 großen Maschinen sind zum Teil noch
bekannt. Diese standen in Sulzberg an folgenden Orten:
In Sulzberg-Brögen HNr. 103, heute Ludwig Vögel
Vor dem Haus Falz HNr. 118, heute Inge Blank (eigenes Gebäude für
die Stickerei)
Im Haus Lässer in der Parzelle Gschwend (heute Erwin Vögel)
In der Parzelle Tobel, HNr. 203, heute Robert Baldauf
In Thal-Schützen im Haus der Familie Vögel
In Thal Unterdreienau HNr. 110
Thal am Eyenbach das Haus Kresser HNr. 8
Stickfergger in Sulzberg
In Sulzberg gab es, nach Berichten, 12 Stickfergger. Der letzte davon war
Mesner Albert Österle. Nach seinem Tode im Jahre 1962 führte sein Sohn
Walter mit seiner Frau Anneliese die Ferggerei bis 1998 weiter. Zuletzt gab es
nur noch 4 Stickerinnen. Es waren dies: Zeh Theresia in Sulzberg, Fäßler
Ulrike für Adelheid Fäßler in Sulzberg, Schedler Rosa in Doren und Pratzer
Monika ebenfalls in Doren.
Allgemeine Informationen
Von Interesse dürfte ein Bericht über die Aktivität von Pfarrer Martin Sinz in
Thal sein. Er hatte die Pariser Kettenstickmaschinen auf seinen Bettelreisen
durch die Schweiz kennengelernt. Er kaufte selbst eine solche und ließ sie im
Gasthof Krone in Thal aufstellen. Sofort verpflichtete er auch einen Schweizer
Sticker zur Belehrung der Thaler Burschen. Endlich verschaffte Pfarrer Sinz
einigen kinderreichen Familien die nötigen Kredite für den Kauf solcher
Maschinen. Damit hatte er der Bevölkerung eine Verdienstmöglichkeit
erschlossen, die sich wirklich lohnen sollte. Der Erwerb aus der
Kettenstickerei bedeutete in den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg für
viele damals meist großen Bauernfamilien das tägliche Brot.
32
Die Zeitung „Der Vorarlberger“ berichtet im Jahr 1882:
„Die Stickmaschinenindustrie dehnt sich noch fortwährend weiter aus, da
solche Maschinen bereits in die hohen Berge steigen. So sollen nächsten 4
große Stickmaschinen und 20 kleine in der Gemeinde S u l z b e r g in
Betrieb gesetzt werden, um auch dort den Wolklang [sic] des Gerassels und
Knarrens vernehmen zu lassen. Die ganze Geschichte kommt uns etwas
unheimlich und wie eine gewagte Spekulation vor, die gar oft mit einem
großen Krach endet.“ (Der Vorarlberger: 1. Dezember 1882, S. 378)
Berechnungen von Johann Peter Fink aus Krumbach:
Durch das Sticken kamen großen Summen Geld in den Bregenzerwald. Nach
Berechnungen des Johann Peter Fink, Wolfbühel um 1835 wurden in den
besten Zeiten in einer Woche 1.000 Gulden Sticker-Lohn nach Krumbach
gebracht. Das war das Goldene Zeitalter für Krumbach und den ganzen
Bregenzerwald. Der Bericht stammt vom Jahre 1835.
Zum Vergleich: Wert von 1 Gulden um 1850 rd 13,4 EURO; eine Kuh kostete
1830 rd 30 Gulden; 1000 Gulden von 1835 sind also heute der Gegenwert
von 13.400 EURO oder 33 Kühe
Gedicht von Franz Michael Felder vom Jahre 1861
„Daheim im warmen Stüble,
da sitzt die Stickerin,
macht auch im Winter Rösle
und schafft mit frohem Sinn.
Das Kleid, darauf sie Blumen stickt,
mit kunstgeübter Hand,
wird eine andere schmücken,
die sie wohl nie gekannt.“
Quellen:
Erinnerungen an die Stickerei, Irma Schäffler, Bregenzerwaldheft 2006
Kennst Du Vorarlberg?, Wilhelm Mohr, 1953
Stickmaschinen in Sulzberg, Der Vorarlberger, 1882
Industriestandort Bregenzerwald, Hans Bernd Würthner, 1968
Wandel im Lebensraum Vorarlberg, Lorenz Konzett, 1970
Großmaschinenstickerei im Bregenzerwald, Franz Gebhard Winsauer,
1982
Die sozialen Aspekte in der Vorarlberger Stickereiindustrie, Elisabeth
Hodkewitsch, 1991
Jahrbuch Thal, Ernst Wirthensohn, 1985
Gemeindeprotokolle Sulzberg, Thal Archiv
33
Johann Martin Schedler
„Der lateinische Wirt“, „Sulzberg’s Cicero“ und Löwenwirt
* 8. September 1817 + 19. März 1882
Dr. Stefan Schwärzler, Konrad Blank
Jänner 2021
Der gelernte Müller „Johann Martin Schedler“ (1817 –1882) war
Ortsvorsteher von Sulzberg und Landtagsabgeordneter (1861–1867). Er
erbaute die Brauerei am Ortseingang von Sulzberg und war fortan
Löwenwirt. Da er über die Grenzen als lateinischer Wirt von Sulzberg bekannt
war, kam es zu einer Begegnung mit Ludwig Steub, über welche nachfolgend
berichtet wird.
Der berühmte Sulzberger „Johann
Martin Schedler“ – bekannt als
lateinischer Wirt, „Löwenwirt von
Sulzberg“, „Sulzberg’s Cicero“ – war
Gemeindevorstand und Abge-
ordneter des ersten Vorarlberger
Landtags. Er wurde am 8. September
1817 in Sulzberg, als ältester Sohn des
Müller-Ehepaares Maria Magdalena
(geb. Keck, ✶ 4. August 1788, + 28.
Jänner 1850) und Anton Schädler (✶
1. Jänner 1782, + 13. Juli 1844 in
Sulzberg) geboren. Er stammte aus
der Gschwendmühle [Pfa17] [Met73].
Der Stammbaum von Johann Martin
Schedler lässt sich bis zu den
Urgroßeltern aus Röthenbach dem
Kirchenbuch der Pfarrei Grünenbach
entnehmen 1.
Nach der Volksschule besuchte
Martin Schedler das Gymnasium
Feldkirch („Gymnasij Feldkirchensis“
oder „Stella Matutina“). Nach der
Schule ging es für Martin Schedler ins
Dorf, er war Engelwirt und errichtete
Abbildung 1: Johann Martin Schedler
1 Taufbuch Grünenbach 1615-1939, pat 99/6 sowie TrB Grünenbach 1723 pag 339/3;
Dank an Erwin Fink, Alberschwende
34
dort vermutlich eine Hausbrauerei.
Später übersiedelte er in die von ihm
neu errichtete Brauerei (heute
„Dorfhus“, Dorf 15) am Ortseingang.
Dort befand sich die
Brauereigaststätte „Zum Löwen“ mit
dem bekannten „Löwengarten“.
Am 1. Mai 1848 ehelichte er in
Sulzberg Magdalena Fink (✶ 15.
Jänner 1818,+ 4. Oktober 1866,
jeweils in Sulzberg). Aus dieser Ehe
stammten insgesamt 8 Kinder: Anton
(✶ 1848), Genofeva (✶ 1851),
Magdalena (✶ 1852), Agatha (✶
1854), Franz Josef (✶ 1855), Johann
Peter (✶ 1856), Katharina (✶ 1858),
Josef (✶ 1861).
Am 28. November 1867 erfolgte
die zweite Ehe in Sulzberg mit
Katharina Bernhard (* 15. Jänner
1835 in Sulzberg, + 27. Februar 1918
in Sulzberg).
Im Jahr 1848, als das erste Kind
„Anton“ geboren wurde, welches
bereits im Kindesalter starb, war
Johann Martin Schedler bereits
„Ortsvorsteher“ von Sulzberg.
Schedler war ein wohlgenährter,
breitschultriger Mann mit
ausgedehntem, rundem,
gutmütigem Gesichte, das in einem
Doppelkinn viel Wohlwollen und
Menschenliebe ausdrückte, siehe
Abbildung 1 (Zeitung „Feierabend“,
Folge 20, Jahr 1931, [Ste31]).
Löwenwirt
Im Jahre 1865 wurde die Brauerei mit
dem Gasthaus Löwen gebaut, heute
befindet sich das Dorfhus“ mit
Arztpraxis auf diesem Grundstück.
Vermutlich war Schedler der erste
Wirt, der auch den bekannten
Löwengarten betrieb. Nach dem
Tode von Martin Schedler hat dessen
Tochter Magdalena mit ihrem
Ehemann Dr. Michael Schnetzer, er
war Gemeindearzt in Sulzberg, die
Brauerei übernommen und sie
weitergeführt. Im Jahre 1891
verkauften sie die Brauerei und das
Gasthaus an Josef Blank und dessen
Frau Anna Maria, geb. Hirschbühl.
Josef Blank war 1880 bis 1890
Braumeister in der Brauerei in
Krumbach.
35
Später führten Franz Brunner (1902 –
1907) und ab 1907 der Engelwirt
Gebhard Giselbrecht (1919 –1938
und 1946 –1955 Bürgermeister von
Sulzberg) die Brauerei weiter. Unter
ihm kam es zur Wiedervereinigung
der Gastwirtschaften Engel
(Wirtschaft) und Löwen (Brauerei),
es wurden dabei über 1.000 hl Bier
ausgestoßen und nahezu alle
Gaststätten in Sulzberg (Engel,
Löwen, Bären, Krone, Linde) und
Doren (Löwen, Enzian, Rose)
beliefert.
Begegnung mit Steub
Abbildung 2: Ludwig Steub [Wik20]
Ludwig Steub wurde am 20. Februar
1812 als Kind des Andreas Steub
(Königlich bayerischer Stiftungs-
administrator des Landgerichts) und
der Josephine Steub in Aichach
geboren. Steub besuchte zunächst
das (heutige) Wilhelmsgymnasium
München und schloss es 1829 ab
[Wik20]. Steub war unter König Otto
I. in Griechenland Regentschafts-
sekretär. Er verreiste viel, unter
anderen auch ins Voralpenland.
Ludwig Steub schrieb anlässlich
seiner Vielzahl von Sommer-
aufenthalten in Tirol („Drei Sommer
in Tirol“, München, 1846) später im
Jahr 1885 das Buch „Die Entwicklung
der deutschen Alpendörfer“. Dabei
hielt er sich ausgehend von Ober-
staufen auch im Bregenzerwald auf.
Sulzberg war zu diesem Zeitpunkt ein
bekanntes Ausflugsziel, jenseits der
Grenze, welches über die Parzellen
Gschwendmühle, Guggeien, Landrat
zu Fuß erreicht wurde. Steub suchte
in Sulzberg den wohl auch in
Oberstaufen bekannten Löwenwirt,
„Martin Schedler“, dersich beim
dortigen Wagnerbäck des Öfteren
aufhielt. Schedler lud Steub zu sich
nach Sulzberg ein, um ihm einen
Besuch im Löwengarten abzustatten.
Die Beiden konnten sich gut
lateinisch unterhalten, da der Herr
Löwenwirt seinerzeit in Feldkirch das
Gymnasium „Stella
Matutina“ besuchte. Nachfolgendes
36
berichtete Steub in der Zeitung
„Feierabend“ [Ste31]: Steub machte
sich auf den Weg über Springen nach
Sulzberg. Als er endlich die Höhe
erreichte, war er begeistert von dem
Dorf, mit schönen aus Holz
gezimmerten Gebäuden, am Schluss
der Friedhof und die Kirche.
Die geschuppten Häuser glänzten wie
die Spiegelfarben in der
Morgensonne. Es waren aber lauter
Wirtshäuser: „zum Engel“, „zum
Bären“, „zum Ochsen“, „zum Adler“,
„zur Krone“, usw. Nur über einer Tür
war ein Kelch mit aufgesetzter Hostie
angemalt, mit der Bedeutung, dass da
des Dorfes Levite wohnt.
Das Dörflein zeigte sich übrigens so
sonnig und so still und so
ausgestorben, wie einst Glurns im
Vinschgau im vorigen Jahr, nur war
hier nicht einmal eine Höferin zu
sehen.
Er entschloss sich, die Fenster der
Reihe nach abzuklopfen bis jemand
laut werden würde; doch schon am
dritten oder vierten Fenster erschien
vorsichtig hinter dem Glas ein
Mädchenkopf, welches er freundlich
anschrie: „Wo ist der Löwe? Der
Martin Schedler, der lateinische
Wirt?“ „Da dussa!“, entgegnete der
Kopf und zeigte in Richtung Grenze.
Vorbei am Ochsen, Bären und Engel
hinaus zum Dorfe stand der Löwe,
ein rötliches Haus mit lebhaften,
grünen Fensterläden und
spiegelnden Scheiben. Da stand er,
der große Lateiner, unter der
Haustüre, wie zum Empfange
angepflanzt:
Steub: Ave campo Latinissime
Schedler: Sta viator, et ego
restaurabo te
Steub war nach der lateinischen
Konversation mit Schedler so
verwirrt, dass er mit dem Postilion,
der ihn ins Hotel Krone nach Hittisau
bringen sollte, auf lateinische
sprach: „Oua hora credisne nos cum
hoe carrulo postali in hospitali coro
nati Hittisauensi‘?“ Der Postilion -
Herr Eduard antwortete spöttisch,
„Ach, das bisschen Latein haben sie
gewiss vom Wirt gelernt. Das
versteht man nur am Sulzberg oben.
Da unten dürfen Sie froh sein, wenn
Sie mit Ihrem Deutsch
durchkommen.“ Danach wechselten
beide ins Deutsche, dabei fiel Steub
auf, dass Schedler die Sulzberger
Mundart so rein und ungemischt
sprach, dass mancher nicht in
Alemannien geborene, wenn er mal
im Löwen zukehrte, sein Latein
verständlicher finden wird, als sein
Deutsch [Ste31].
Politische Tätigkeit
Seit dem Jahr 1848 war Martin
Schedler der Standesrepräsentant
des Bregenzerwaldes und ab 1850
Gemeindevorsteher von Sulzberg.
37
Dieses Amt dürfte er bis zum Jahr
1866 innegehabt haben. Während
dieser Zeit hat sich Schedler für den
Bau des Armenhauses im Badhaus
eingesetzt. Zusammen mit Pfarrer
Pius Mätzler hat er im Herbst 1854
über einen Bau beraten, den er mit
allen Kräften unterstützen würde. In
dem Haus sollten bis zu 60 Bewohner
eine Aufnahme finden, welches dann
im Jahre 1860 unter dem Vorsteher
Schedler bezogen wurde.
Das Bundesland Vorarlberg wurde
1861 ein eigenständiges Land der
Habsburgermonarchie. Martin
Schedler gehörte dem Vorarlberger
Landtag von 1861 bis 1867 an. Bei
zumindest zwei Anträgen hat sich
Schedler nachweislich aktiv im
Landtag eingebracht:
Freitag, 12.4.1861: Schedler hat
zusammen mit dem Abgeordneten
Hirschbühl aus Krumbach wegen der
Verzehrsteuer einen Antrag
eingebracht. Dieser wurde an einen
Ausschuss verwiesen, von der
Erledigung ist nichts bekannt.
Freitag, 29.12.1865: Schedler brachte
mit weiteren vier Abgeordneten einen
Antrag wegen der Ausübung des
Salzmonopols ein. Dabei ging es um
die Senkung der Transportkosten von
zwei auf einen Gulden. Salz wurde von
Hall in Tirol nach Vorarlberg
transportiert, welches vor allem zur
gedeihlichen Entwicklung des
Nutzviehs benötigt wurde, hierfür
wären laut Antrag 26.000 Zentner Salz
notwendig. Zudem setzte sich
Schedler für den Bau der Realschule
Bau der Realschule in Feldkirch ein
und engagierte sich auch für die
Waisen [Bar64].
Am Sonntag, den 19.3.1882 starb
Martin Schedler an „Herzlähmung“,
er war Mitglied des ersten
Vorarlberger Landtags,
Standesrepräsentant, Ortsvorsteher,
Löwenwirt und „Sulzberg’s Cicero“ –
der lateinische Wirt.
Literatur
[Bar64] Barth, Franz R.: Stenographische
Sitzungsberichte der dritten Landtags-
Periode in Vorarlberg zu Bregenz.
Allerhöchste kaiserliche Patente, 1864. –
Österreichische Nationalbibliothek, Wien,
167659C
[Met73] Metzler, Pfr.; Sulzberg, Pfarrei
(Hrsg.): Sterbebuch Sulzberg. 437/2. 1863 -
1973
[Pfa17] Pfarrer: Taufbuch Sulzberg
Laufende Nummer: 447/3 Datierung: 1784
-1817. 1817
[Ste31] Steub, Ludwig: Im Frühling 1874
beim lateinischen Wirt auf dem Sulzberg.
In: Feierabend 20, (1931), S. 251–254
[Wik20] Wikipedia: Ludwig Steub —
Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. 2020. –
[Online; Stand 7. April 2020]
Herausgegeben von:
Dr. Stefan Schwärzler
stefan.schwaerzler@gmail.com
Konrad Blank
konrad.blank31@gmail.com
38
Die Raid-Mühle in Hermannsberg
August 2020
Aus dem 18. Jahrhundert gibt es viele Hinweise, dass der Ackerbau zur
Selbstversorgung eine bedeutende Rolle gespielt hat. Aus Protokollen der
Vereinödung ist ersichtlich, dass viele Flur- und Parzellenbezeichnungen auf
den Ackerbau hinweisen.
Aus einer Aufzeichnung von Amann Johann Georg Vögel vom Jahre 1778 ist
zu lesen, dass in der Parzelle Buch Ackerbau betrieben wurde. Er hat
festgehalten, dass mit sieben Pferden zwei Tage geackert wurde. Er schreibt
auch vom Schneiden und Dreschen des Getreides.
Um das Getreide zu mahlen brauchte man natürlich Mühlen, diese
womöglich in geringer Entfernung. Werner Vogt schreibt im Jahrbuch des
Bregenzerwälder Heimatpflegevereins von 2009 zum Thema Wasserkräfte
auch über Mühlen und Sägen in Sulzberg.
Er berichtet, dass es in Sulzberg um 1800 fünfzig Wasserräder gegeben habe.
Von diesen wurden 18 Getreidemühlen, mehrere Gerstenstampfe und
Habermühlen angetrieben.
Eine der Mühlen war die Raid-Mühle in Hermannsberg. Die nächsten Mühlen
gab es früher im Mühleholz in Hermannsberg hinter dem Haus Bilgeri, eine
weitere in der Umgebung gab es in der Parzelle Erathen, dort wo später der
Gerbereibetrieb von Konrad Blank war. Im Dachstobel zwischen den
Parzellen Holderegg und Brunnenau gab es einen Gerstenstampf.
Von der Raid-Mühle in Hermannsberg gibt es eine nähere Beschreibung.
Die Mühle wurde vom Wasser des Müselbaches angetrieben. Um eine
gewisse Wasserreserve zu haben wurde oberhalb der Mühle ein Weiher
gebaut. Dieser hatte ein Ausmaß von 25 mal 10 Meter. Von dort wurde das
Wasser in einem offenen Graben zum Wasserrad geführt. Das Wasserrad war
4 Meter hoch und 45 cm breit. Von den zwei Mühlsteinen war der eine aus
Montafoner Granit, der andere aus Bozner Porphyr. Der Letztere bildet heute
den Altartisch in der Seitenkapelle in der Sulzberger Kirche. Etwas unter der
Mühle stand ein Knochenstampf angetrieben vom gleichen Wasser über ein
Wasserrad mit einer Höhe von 2,40 m. Der Knochenstampf bestand aus einer
genockte Welle mit Stößeln welche die Knochen zu Mehl stampften. Das
Knochenmehl wurde als Dünger verwendet.
Folgende Besitzer der Mühle in Sulzberg-Hermannsberg sind dokumentiert:
1605 Asinus Briem (Zins 2 Schilling an das Herrschaftsamt in Bregenz
für die Mühle, ein weiterer Schilling für den Knochenstampf)
1809 bis 1823 Hans-Peter Raid
1880 Johann Raid
1911 bis 1923 Franz Raid
39
Mühle und Knochenstampf waren bis 1923 in Betrieb. Das Wasserrecht
wurde angeblich erst 1954 gelöscht.
Die Mühle war bis zum Durchstich des Felsens beim heutigen Hof Mennel nur
zu Fuß erreichbar. Der Raid Müller musste das Getreide, das zu mahlen war
auf einem Fußweg zur Mühle tragen. Dieser Fußweg ist in der Natur heute
noch erkennbar. Gerade in den letzten Wochen wurde der Weg durch
fachgerechte Maßnahmen von meinem Enkel Aurelius und meinem Sohn
Thomas wieder gut begehbar gemacht.
Postkarte Sulzberg, Risch Lau 1968 (volare)
Unten links zu erkennen: Das Armenhaus, dahinter die Brauerei
40
Das Sulzberger Armenhaus (1857 – 1989)
Juni 2020
Ein persönliches Vorwort
Gerade die letzten Monate der Corona-Pandemie haben mich veranlasst,
über einige Themen der Gesundheits- und Altenbetreuung sowie des
Sozialwesens am Sulzberg nachzudenken. Weiters waren es auch meine
Recherchen zur jahrzehntelang wirkenden Hebamme Waldburga Baldauf, die
die Frage aufgeworfen haben, ab wann es am Sulzberg eine Entbindungs-
station gab.
Bei meinen Recherchen zum Armenhaus Sulzberg bin ich natürlich wieder
einmal auf die sehr wertvollen Arbeiten meines Cousins Gebhard Blank
gestoßen. Er hat auch zu diesem Thema wichtige historische Dokumenta-
tionen im Gemeindearchiv hinterlassen. Diese habe ich verwendet und
teilweise gekürzt. Ihm gebührt wirklich großer Dank für seine Arbeiten.
Die Vorgeschichte
Bis zum Bau des Armenhauses im Jahre 1857 gab es in Sulzberg keine Sozial-
einrichtungen. Alte Menschen, geistig oder körperlich behinderte Menschen
oder auch verwaiste Kinder mussten von den nächsten Familienangehörigen
versorgt werden. Die Großfamilien waren die einzige soziale Absicherung. Es
gab keine Krankenversicherung und auch keine Alterspension.
Arme Bürger, vor allem wenn sie krank waren, erhielten von der Gemeinde
eine geringe Unterstützung. Diese Hilfeleistung für die Armen ging auf eine
Initiative von Kaiser Joseph II vom Jahre 1783 zurück. Im Jahre 1817 wurden
die Gemeinden zur Armen-Fürsorge verpflichtet.
Der Stifter Josef Baldauf, Stickfergger
Aber es gab schon damals Gemeindebürger, die sich überlegten, wie die
ungute Situation verbessert werden könnte. Den Anstoß zum Bau eines
Armenhauses gab der Stickfergger (Vermittler von Stickerarbeiten) Josef
Baldauf von Ober. Dieser war durch seinen Beruf weit herumgekommen und
erzählte dem Gemeinde-Vorsteher Johann Martin Schädler von den
Armenhäusern, die er in der Schweiz kennenlernte. Er sagte zu, 1000 Gulden
zu spenden, sobald die erste Entscheidung zum Bau des Armenhauses gefällt
sei.
Josef Baldauf ertrank am 13.11.1861im Bodensee. Er war an Bord des
Dampfers Ludwig, der im Nebel mit dem Schiff Stadt Zürich zusammenstieß.
Beide Schiffe sanken und 16 Menschen ertranken dabei.
41
Die Initiatoren Gemeinde-Vorsteher Johann Martin Schädler und Pfarrer
Pius Mätzler
An einem Herbstabend im Jahre 1854 informierte Schädler den Pfarrer Pius
Mätzler darüber. Er erklärt dem Pfarrer, dass er bereit sei, als
Gemeindevorsteher dieses Vorhaben nach Kräften zu unterstützen, die Pfarre
müsse aber mitmachen.
Das Vorhaben sprach sich offenbar rasch in der Gemeinde herum. Schon am
15. April 1855 beschloss der Gemeindeausschuss eine Spendensammlung für
den Bau des Armenhauses durchzuführen. Offensichtlich war die Gemeinde
finanziell nicht in der Lage ein solches Haus zu errichten. Am Pfingstsonntag,
den 27. Mai 1855, wandte Pfarrer Mätzler in der Predigt seine ganze
Überredungskunst auf, um die Leute von der Notwendigkeit eines
Armenhauses zu überzeugen. Es käme für die Gemeinde billiger, die Armen in
einem Armenhaus zu versorgen als daheim. Zudem könne man faule und
liederliche Leute im Armenhaus zum Arbeiten anhalten. Das Armenhaus
hätte also auch für die Sittlichkeit einen Nutzen. Auch die Arztkosten wären
im Armenhaus niedriger, weil der Arzt nicht von Haus zu Haus gehen müsste.
Die Armen könnten zum Gebet aufgemuntert und von den Seelsorgern öfters
besucht, getröstet und zu einem glückseligen Tod vorbereitet werden. Am
nützlichsten wäre ein Armenhaus für die Sittlichkeit und die gute Erziehung
armer und verlassener Kinder. Trotz der nothigen Zeit müsste es eine
Gemeinde von 1800 Seelen schaffen ein Armenhaus zu bauen. Das
Armenhaus sollten Barmherzige Schwestern führen.
Bereits am 28. Mai 1855 fingen der Pfarrer und der Gemeindevorsteher mit
dem Sammeln für das Armenhaus an. Dabei ging es zunächst nur um das
Versprechen von Geld, Tannen und Fronleistungen. Das Einlösen des
Versprochenen wurde erst beim Bau des Armenhauses aktuell. Bei der
Sammlung kamen rund 9000 Gulden zusammen.
Am 19. August 1855 beschloss die Gemeindevertretung, da die Finanzierung
gesichert war, den Bau des Armenhauses. Eine Baukommision wurde
gewählt, dieser gehörten der Pfarrer Pius Mätzler, der Vorsteher Martin
Schedler und der Gemeinderat Konrad Blank von Erathen an. Diese sollten
zuerst Statuten entwerfen welche die Führung des Hauses regeln soll.
Geeignete Grundstücke sollen erworben werden. Pläne und
Kostenvoranschläge sollen erstellt werden.
Der Baubeschluss 1856
Am 19. Juli 1856 bestätigte das Kreisingenieuramt die Pläne und den
Kostenvoranschlag. Dieser umfasste die Arbeiten der Maurer, Zimmerleute,
Schreiner, Glaser und Schlosser. Dazu kamen noch Öfen und Herde und die
Wasserleitung, sowie den Ankauf einer Viehweide von Johann Georg
Giselbrecht um 400 Gulden, den Bauplatz von Anna Maria Schmid und
42
Johann Georg Gomm um 450 Gulden. Zum Armenhaus gehörten 6 Grund-
parzellen mit einem Gesamtausmaß von 1,53 Hektar. Dazu gehörte neben
der Bauparzelle Grünland, Schollenmoos und Wald. Das ganze Bauvorhaben
wurde mit 9392 Gulden veranschlagt.
Nachdem auch der Kreisarzt Dr. von Gasteiger am 31. Juli 1856 sein
Gutachten abgab, war der Weg zum Bauvorhaben frei. Gasteiger sprach sich
lobend über die günstige und gesunde Lage des Bauvorhabens aus. So wurde
im Jahr 1856 die Baustelle eingerichtet und damit der Bau begonnen.
Bettelpredigten von Pfarrer Pius Mätzler
In der Bevölkerung wurden immer wieder Bedenken geäußert, der Unterhalt
der Armen würde zu teuer werden. Pfarrer Pius Mätzler nahm in Predigten
dazu Stellung, so am 13.11.1859 sowie auch am Pfingstmontag 1860. Die
Armen hätten in den letzten acht Jahren im Durchschnitt jährlich 1330
Gulden gekostet. Nehme man an, dass 18 Arme und drei Barmherzige
Schwestern das Armenhaus beziehen und jede Person täglich 10 Kreuzer
koste dann komme man auf eine Summe von 1360 Gulden, die nicht viel
höher sei als die bisherigen Armenkosten. Dazu gäbe es ja auch Einnahmen,
zB 300 Gulden als Arbeitslohn der Armen und der Zins vom Armenfond. Dazu
könne man auf dem Feld Kartoffel und Gemüse zur Selbstversorgung
anbauen.
Die Abrechnung des Jahres 1870 zeigt, dass der Pfarrer mit seiner
Einschätzung richtig lag. Denn der Betrag, den die Gemeinde Sulzberg als
Abgang zu bezahlen hatte bezifferte sich auf 640 Gulden.
Der Pfarrer kündigte dann später eine weitere Betteltour an, denn es seien
noch Stiegen und Kellertüren zu machen, ebenso Vorfenster und Läden und
im dritten Stockwerk noch Böden zu legen. Auch verschiedene
Haushaltsgegenstände müssten noch angeschafft werden.
Die Baugeschichte
Noch 1856 wurde die Baustelle eingerichtet und damit der Bau begonnen.
Der Aushub für das 22 Meter lange und 13 Meter breite Haus wurde getätigt.
Die Grundmauern wurden aus Bruchsteinen erstellt. Diese waren 65 cm stark
und 2,50 Meter hoch. Ein solides Fundament für die Zimmerleute die darüber
das dreistöckige Gebäude aus Holz erstellten. Die Tannen wurden teilweise
geschenkt, teilweise angekauft. Das Bauholz wurde auf der Säge von Alois
Haller in Brucktobel zugeschnitten. Auf dem Bauplatz fiel so viel Lehm und
Kalksteine an, dass Ziegelsteine und Kalk selbst gebrannt und vieles davon
noch vorteilhaft verkauft werden konnte.
Ende November 1857 wurde das Richtfest des Armenhauses gefeiert. Noch
wartete eine Menge Arbeit. Die Maurer zogen die Kamine hoch, die
Zimmerer legten die Fußböden, brachten hölzerne Dachrinnen an,
43
verschalten die Giebel und Hauswände mit halbrunden Schindeln, deckten
das Dach mit Scharschindeln ein. Ein Jauchekasten wurde gebaut. Die
Schreiner fertigten 70 Fensterverkleidungen, 35 Zimmertüren und eine
Haustüre. Die Glaser stellten 70 Fensterrahmen mit Verglasung, 30
Winterfenster und die Türen. Es waren auch drei Herde, neun Öfen und ein
Waschkessel einzubauen.
Zusätzlich war auf dem Widum eine Brunnenstube zu errichten. Für die
Wasserleitung waren 160 Deichel herzustellen und zu verlegen
Nach drei Jahren Bauzeit kam dann endlich der ersehnte Tag. Am 18. Oktober
1860 zogen drei Barmherzige Schwestern in das Armenhaus ein und der
Betrieb konnte beginnen. Mit der Provinzvorstehung der Barmherzigen
Schwestern in Tirol wurde von der Gemeinde über den Einsatz der
Schwestern ein Vertrag abgeschlossen.
In diesem Vertrag wurde der Einsatz der Schwestern und ihr Leben bis zu
ihrem Tode geregelt.
Armenhaus von Sulzberg; Franz Beer, Stadtarchiv Dornbirn; ca 1950 (volare)
Verwaltung des Hauses
Die Verwaltung des Hauses wurde einem Armenhausverwalter übertragen.
Diesem oblag die Verwaltung und Aufsicht über das Haus. Er musste über die
Einnahmen und Ausgaben Buch führen, die Jahresrechnung erstellen und
diese der Gemeinde vorlegen. Im Jahre 1870 hatte zum Beispiel die
Gemeinde einen Abgang von 640 Gulden zu übernehmen. In der Zeit von
1861 bis 1958 gab es 16 Armenhausverwalter, der letzte und 20 Jahre
dienende war Adolf Haller vom Brucktobel.
Die Zahl der Pfleglinge nahm schon 1863 und 1864 bedeutend zu, weil die
benachbarten bairischen Gemeinden bis zu 20 Arme hier unterbrachten.
Zeitweise beherbergte das Haus insgesamt 50 Arme. Sechs Schwestern waren
notwendig um die Arbeit zu bewältigen. Eine Schwester war ausschließlich
44
mit der Erziehung armer Kinder beschäftigt. Um 1898 verringerte sich die
Zahl der Armen, weil mehrere bairische Gemeinden Armenhäuser bauten.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden 5 Insassen Opfer der Euthanasie.
Dies waren Paula Bitriol, Erich Forster, Rosa Rupp, Maria Sinz und Maria
Vögel.
Isolierstation für Diphteriekranke
Anfang 1940 kam es in Sulzberg zum Ausbruch der Diphterie. Diese war
höchst ansteckend, betraf vor allem Kinder und führte oft zu Dauerschäden
und manchmal sogar zum Tod. Um die betroffenen Kinder zu isolieren wurde
im Armenhaus eine eigene Isolierstation eingerichtet. Dort verblieben die
Kinder bis zur Genesung. Die ärztliche Betreuung besorgte der damalige
Gemeindearzt Dr. Divitschek, ein geborener Wiener. Meine Schwester Frieda
und ich selbst wurden wegen der Diphterie auch in diese Station
eingewiesen.
Versorgungsheim
In den 1950iger Jahren wurde das Haus „Versorgungsheim Sulzberg“
genannt.
Da es jetzt Altersrenten gab, fanden nicht nur Arme hier Aufnahme. Das Haus
wurde zu einer Einrichtung, in der auch alte Menschen betreut wurden.
Geburtenstation
Von 1959 bis 1983 war im Versorgungsheim eine Geburtenstation
eingerichtet.
In dieser erblickten 529 Kinder das Licht der Welt. Diese Station wurde 1983
aufgelassen, weil sie den medizinischen Anforderungen nicht mehr
entsprach.
Das Ende des Hauses
In den 1980er Jahren wurde von der Gemeinde erörtert, ob man das Haus
sanieren soll oder ob man ein neues Heim bauen soll. Das Versorgungsheim
war inzwischen alt geworden. Die Gemeindevertretung sprach sich im
Dezember 1985 noch für eine Generalsanierung aus. Eine Kostenschätzung
im Februar 1986 ergab aber sehr hohe Sanierungskosten von 12,8 Mio
Schilling. Diese zu erwartenden hohen Kosten führten in der Gemeinde-
vertretung zu einem Umdenken. Im Oktober 1986 kam es zum Beschluss, ein
neues Altenwohnheim zu bauen, das dann auch rasch realisiert wurde.
Im Herbst 1989 wurde das traditionsreiche Sulzberger Armenhaus und
Versorgungsheim abgebrochen.
45
Nachbarn vom Armenhaus erzählen
Hedwig Maurer (geb 1926, wohnhaft in Hermannsberg), Tochter von
Sattlermeister Anton Flatz und nächste Nachbarin zum Armenhaus, berichtet
mir aus ihren Erinnerungen.
Hedwig erinnert sich an zwei Bewohner des Armenhauses, Josefe der Kleine
und der Große. Beide waren geistig behindert.
Gerne denkt Hedwig noch an eine Bewohnerin, sie hieß Philomena, sie war
eine geschickte Handarbeiterin und gab ihr manche Anleitungen im Stricken.
Hedwig erlebte auch Streitereien unter den Bewohnern. Adolf Haller musste
dann als Armenverwalter einschreiten. Wenn die Vermittlung nicht zu einem
Erfolg führte, war eine zeitliche Verwahrung im Kotter der letzte Ausweg.
Hedwig berichtet auch von einem sehr traurigen Ereignis. Zwei Bewohner des
Armenhauses Namens Forster, man nannte sie „Stampfer“, hielten sich vor
ihrem Haus auf. Ein Auto mit Nazi-Leuten fuhr zum Haus und verlud den
Einen sofort ins Auto. Dem Zweiten gelang die Flucht. Dieser bemerkte noch
mit Handzeichen dass es jetzt um den Kopf gehe. Erich Forster wurde Opfer
der Euthanasie, er wurde in Hartheim in Oberösterreich ermordet.
August Dorner als zweitnächster Nachbar wusste auch noch einiges zu
erzählen. Es kam immer wieder zu Treffen mit Bewohnern des Armenhauses.
Bei Messen in der Hauskapelle musste er oft ministrieren und bekam dann
von den Schwestern Süßigkeiten. Bei Todesfällen im Heim mussten Nachbarn
als Leichenträger einspringen.
Die Schwestern des Hauses hielten Schweine und Hühner zur Verwertung der
Speiseabfälle. Auch ein größerer Garten wurde betrieben, sogar Setzlinge
wurden gezüchtet und als solche verkauft. Die Männer vom Hause mussten
große Mengen an Brennholz spalten um die vielen Öfen heizen zu können
Meine letzte persönliche Erinnerung an das Armenhaus
Ich erstellte in den 1980er Jahren einen Stammbaum von unserer Blank-
Familie. Das Holz für die Tafel stammt vom Abbruchholz des Armenhauses.
Ich habe aus alten Balken vom Haus Bretter Sägen lassen. Es dürfte dies das
letzte Stück vom Armenhaus sein.
Quellen:
Gemeindearchiv Sulzberg
Nachlass von Gebhard Blank
46
Waldburga Baldauf (1865 – 1951), Adlerwirtin und Hebamme
– eine stille Heldin
Juni 2020
Bei Nachforschungen im Pfarrarchiv von Sulzberg machte ich eine
interessante Entdeckung. Bei meiner Geburt im Jahre 1931 und bei der
Geburt meiner Mutter im Jahre 1897 war die gleiche Hebamme tätig. Es war
Waldburga Baldauf, die damalige Adlerwirtin von Sulzberg. Diese Entdeckung
weckte in mir das besondere Interesse an dieser Frau, deren Leben und
Wirken ich hier kurz zusammenfassen möchte.
Waldburga Baldauf wurde am 8. Februar
1865 als Waldburga Eiler in Doren-Rotach
geboren. Nach ihrer Ausbildung als
Hebamme war sie von 1887 bis 1944, also
57 Jahre, in Sulzberg mit Thal und Doren als
Geburtshelferin tätig.
Waldburga Baldauf (1865 – 1951); Fotoarchiv
Konrad Blank
Damals gab es bis auf sehr wenige Ausnahmen Hausgeburten. Um zu den
gebärenden Frauen zu kommen, musste sie oft lange und auch beschwerliche
Fußmärsche bewältigen. Am Anfang ihrer Tätigkeit gab es noch keine
Telefone, die Verständigung erfolgte über Boten. Neben Waldburga waren
auch noch andere Hebammen tätig, unter anderen ab 1933 Johanna Dorner
(Mutter von Otto Dorner).
Am 2. April 1894 verehelichte sich Waldburga mit dem Adlerwirt Johann
Georg Baldauf in Sulzberg. Aus dieser Ehe wurden 5 Söhne geboren.
Waldburga war also nicht nur Hebamme sondern auch vielfache Mutter. Als
Mutter, Gastwirtin, Bäuerin und Hebamme war sie eine vielbeschäftigte Frau.
Es ist auch zu bedenken, dass sie sicher oft auch vor oder nach der Geburt
mit der Beratung und Betreuung der Mütter und Kinder beschäftigt war.
Ihr Mann Johann Georg sowie vier Söhne (Konrad, Ignaz – später Adlerwirt,
Georg, Anton) mussten im ersten Weltkrieg zur Wehrmacht einrücken.
Waldburga musste nun mit dem Sohn Ferdinand auch den Hof
bewirtschaften. Ihr Mann erkrankte im Krieg schwer, er kam nach Hause und
starb dort schon im Jahre 1916. Die vier Söhne kamen unversehrt aus dem
Krieg zurück.
47
Trotz aller Schicksalsschläge, die Waldburga zu ertragen hatte, führte sie die
Tätigkeit als Hebamme weiter aus. In ihrer aktiven Zeit führte sie ein
Geburtenbuch, das ich von ihrem Enkel Werner Baldauf erhalten habe. In
diesem hat sie alle Geburten von 1887 bis 1944 aufgeschrieben. Eine wirklich
eindrucksvolle Dokumentation der Geschichte Sulzbergs. Mit ihrer Hilfe
kamen 1023 Kinder zur Welt. Es waren 482 Mädchen und 535 Buben. Im
Mittel waren es also 18 Geburten pro Jahr.
Besonders vermerkt hat Waldburga in ihren Geburtenbuch 12 Zwillings-
geburten, die erste davon gab es erst 1898. Viele Schicksalsschläge musste
sie zusammen mit den Müttern und deren Familien verkraften. Einige Mütter
starben infolge einer Geburt, manchmal auch gemeinsam mit ihrem Kind.
97 Kinder wurden tot geboren. Dieses Schicksal war für die jeweilige Mutter
und auch für die Hebamme eine schwere psychische Belastung. 76 der
Totgeburten ereigneten sich vor dem Jahre 1914. Das ist ein Nachweis für die
schlechte medizinische Versorgung zu dieser Zeit.
Waldburga Baldauf starb am 13. August 1951 im Alter von 86 Jahren.
Als Hebamme war sie die Ersthelferin für eine große Anzahl von zwei
Generationen von Sulzbergerinnen und Sulzbergern. Das Leben und die
besonderen Leistungen dieser Frau verdienen es auch 70 Jahre nach ihrem
Tod erwähnt zu werden und für die Nachwelt erhalten zu bleiben.
Postkarte Sulzberg, Branz, ca 1970 (volare)
48
Landwirtschaft - von der Handarbeit zur Mechanisierung
April 2020
In der Zeit bis vor dem zweiten Weltkrieg gab es insbesondere in der
Grünlandwirtschaft kaum Maschinen. Die landwirtschaftlichen Betriebe
waren meist auch klein, so dass sie in Handarbeit bewältigt werden konnten.
Im Jahre 1935 gab es in Sulzberg noch 204 landwirtschaftliche Betriebe die
Milch erzeugten. Auch in diesen Betrieben gab es viel harte Arbeit besonders
in der Heuzeit.
Mit dem Düngen ging es im Frühjahr los. Der Mist wurde auf einem
hölzernen Wagen mit einer ebenen Ladefläche von Hand aufgeladen und mit
Pferd, Ochs oder Rind aufs Feld geführt. Dort wurde der Mist während des
Fahrens mit einer Misthacke mit eisernen Zinken vom Wagen abgezogen.
Dann musste er mit Gabeln fein verteilt werden. Die Jauche wurde in einem
Holzbehältnis auf zwei Rädern oder auf Schlitten ausgebracht, je Fahrt waren
es etwa 1/4 Kubikmeter. Es gab auch hölzerne Jauchefässer.
Beim Heuen kam als erstes die Sense zum Einsatz um das Gras zu mähen.
Dann wurden die Mahden mit einer Gabel gezettet (ausgebreitet). Zweimal
am Tag wurde das Heu mit einer Gabel gewendet und am Abend mit einem
Rechen zu Loreien (kleine Mahden) zusammengezogen. Am nächsten Tag
wurde wieder mit einer Gabel gezettet, dann zweimal umgekehrt
(gewendet), dann wurde das dürre Heu zu Mahden zusammengeschlagen um
danach mit einer Ladegabel auf einen Leiterwagen aufgeladen zu werden.
Auf ein schönes Fuder (Wagenladung) war man stolz. Die Heufuder wurden
oft bis in die Nacht hinein mit Pferd oder Ochs in die Tenne geführt. Von dort
wurde das Heu von Hand in der Scheune verteilt.
Nach der Heuernte von Schlossers Veahwoid, ca 1946
Die Qualität des Heus war nicht immer gut. Wenn es noch zu feucht war,
besonders nach einem Regen kam es zu Überhitzungen oder auch zu
49
Schimmelbildung. Weil sich die Heuzeit oft über einen Monat hinzog, war das
Heu überständig und hatte nur mehr einen geringen Nährwert.
Ein Behelf besonders bei schlechtem Wetter waren die Heinzen (ein Pfahl mit
Seitensprossen). Auf diesen Heinzen wurde das Gras aufgelegt und dort
belassen bis es trocken war. Während des zweiten Weltkrieges wurden die
Schwedenreuter (Holzpfähle mit Draht verbunden, auf denen das Heu
aufgehängt wurde) eingeführt, dies war ein Ersatz für die Heinzen (Einzelne
Holzpfähle mit Quersprossen). Beide Hilfsmittel waren mit einem großen
Arbeitsaufwand verbunden.
In den 1950er Jahren gab es die ersten Heulüfter, diese wurden als
Heukanonen bezeichnet. Grob gesagt in einem Rohr mit 50 - 60 cm
Durchmesser und einer Länge von etwa 1,5 Meter wurde ein Lüfter
eingebaut. Auf der einen Seite wurde die Luft angesaugt, auf der anderen mit
Druck ausgeblasen. Diese Heukanone wurde an einem Seil hängend in der
Mitte des Heustockes hochgezogen. Als später die heute noch üblichen
Heulüfter kamen wurde in der Mitte des Heustockes ein Holzschacht
hochgezogen. In dem darunter entstandenen Raum wurde die Luft
eingeblasen, die dann das eingelagerte Heu durchströmte. Diese neue
Möglichkeit der Heutrocknung wurde später durch technische Einbauten und
die Vorwärmung der Luft weiterentwickelt. Dies war eine revolutionäre
Möglichkeit zur Verbesserung der Futterqualität. Nach dem zweiten
Weltkrieg wurde in vielen Etappen die Heuernte mechanisiert.
Ich erlebte noch die Zeit in der ich
mit meinem Vater den ganzen Hof
von Hand gemäht habe. Die Heuzeit
dauerte natürlich je nach der
Wetterlage über einen Monat.
Heute wird in weniger als der halben
Zeit weit mehr Heu eingebracht.
Heuernte auf der Holderegg, ca 1948
50
Die Anfänge der Mechanisierung in der Landwirtschaft
Mai 2020
Die erste bedeutende Neuerung begann mit der Güllewirtschaft. Im Jahre
1936 wurde auf beiden Blank Höfen in Sulzberg-Holderegg je ein
Jauchekasten mit 100 Kubikmeter Inhalt gebaut. Als Vorleistung hatte man
im Winter zuvor von der Weißach Kies herbeigeschafft. Mit Pferd und
Schlitten wurde von unterhalb des heutigen Kohler Hofes in Wandfluh von
der Weißach Kies nach Holderegg transportiert. Pro Fuhre waren es ein
Viertel Kubikmeter.
Der Bau der Jauchekästen erfolgte durch geschickte Bauernbuben. Die
Baugrube wurde von Hand ausgehoben. Die Schalung erstellte man mit
Holzdielen mit einer Stärke von 5 cm. Der Beton wurde von Hand gemischt.
In den Jauchekasten wurde ein Rührwerk eingebaut. Mit einem Elektro-
Motor mit 2 PS wurde eine Welle angetriebenen, auf der Flügel aus Holz
befestigt waren. Auch die Welle war bis auf die jeweiligen Lager aus Holz.
Die Pumpe wurde von einem E-Motor mit 5 PS Leistung über einen
Flachriemen angetrieben. Mit Güllerohren mit je 6 m Länge und einigen
Hanfschläuchen wurden alle Wiesen des Hofes erreicht. Die Arbeit war schon
etwas mühsam, es waren auch 3 Arbeitskräfte im Einsatz. Die Güllerohre
mussten zur jeweiligen Stelle getragen werden, die Schläuche wurden von
Hand gezogen. Die Mechanisierung der Güllewirtschaft war damals eine fast
revolutionäre Entwicklung.
Heu einführen auf der Holderegg mit dem ersten Traktor, ca 1953
Neben mir am Traktor eine französische Hilfskraft, die auf unserem Hof war
Ende der Vierziger Jahre nach dem Weltkrieg wurde der erste Traktor Marke
Lindner angeschafft. Angetrieben wurde dieser mit einem Warcholowski
Diesel Aufbaumotor mit einer Leistung von 14 PS. Die Kraftübertragung
51
erfolgte über Keilriemen. Gestartet wurde er mit einer Handkurbel. Der
Traktor leistete seinen Dienst, er war aber sehr reparaturanfällig. Zur
Bestellung des Traktors fuhren Vater und Mutter zum Erzeugerwerk Lindner
in Kundl, Tirol.
Im Jahre 1951 wurde ein neuer Stall gebaut. Im Winter davor wurden die
Mauerziegel herbeigeschafft. Dort mussten die Ziegel von Hand auf LKW
umgeladen und dann nach Holderegg transportiert werden. Es wurde ein
moderner Stall mit 2 Futtergängen, dies gab es damals kaum. Der
Futterbarren wurde besonders sorgfältig erstellt und mit Weisszement
überzogen. Über diesen Futterbarren wurde das Vieh auch getränkt.
Vergrößert wurde damals auch die Scheune für das Heu. Ein Heulüfter wurde
angeschafft und ein Lüftungsschacht eingebaut.
Etwas später wurde ein Motormäher und eine Heuraupe angeschafft. Die
nächste Investition war ein Ladewagen, es war dies ein Fabrikat der Firma
Fahr. Der Pickup und der Kratzboden dieses Wagens wurden über Keilriemen
angetrieben. Was nun nicht mehr entsprach war der Traktor. Ein stärkerer -
wieder ein Lindner - wurde angeschafft. Nach Erwerb des Anwesens in
Hermannsberg musste der Stall und die Scheune vergrößert werden. In den
neuen Stall wurde eine Schubstangenentmistung eingebaut. Zusätzlich gab es
einen Höhenförderer für den Mist. Die vergrößerte Scheune war auf gleicher
Ebene wie der Stall. Dies stellte sich als eine nicht glückliche Lösung heraus,
der Heustock war zu hoch, die Durchlüftung war infolge zu großer
Verdichtung des Heus nicht gut. Wieder wurde gebaut. Der Scheunenraum
wurde deckenlastig angelegt und auch vergrößert. Die Belüftung des Heus
wurde dadurch optimal verbessert. Im Stall kam es zum Einbau einer
Schwemmentmistung mit Spaltenboden.
Eine lange Entwicklung hatte die Heu-Abladetechnik. Es begann mit einem
einfachen Heuaufzug mit Laufschiene mit einer händisch zu betätigenden
Heuzange. Später gab es ein Heugebläse mit Verteileranlage. Auch diese
Einrichtung überholte sich. Heute sind Krananlagen üblich.
Weiters wurde auch die Heuernte im Laufe der Jahre technisch weiter-
entwickelt. Das Mähen mit dem Motormäher wurde durch einen Mähbalken
am Traktor leistungsfähiger. Darauf folgten die Kreiselmäher, zuerst mit dem
Rasant-Mähtrac angetrieben, später mit dem Traktor. Zum Wenden des Heus
und für das Schwaden gab es die Kreiselheuer und die Schwader. Es gab
immer leistungsfähigere Traktoren, man musste sich jedoch mit Bedacht den
neuen Erfordernissen anpassen.
Insgesamt hat die Technisierung in der Landwirtschaft in den letzten 50
Jahren eine enorme Entwicklung genommen. Die Zeit der Heuernte hat sich
durch die Technisierung gewaltig verkürzt, die Qualität und der Futterwert
des Heus ist entscheidend verbessert worden. Mensch und Vieh sind
Nutznießer dieser Entwicklung.
52
Milchwirtschaft im Wandel
Mai 2020
Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts diente die Milchproduktion der
Selbstversorgung der bäuerlichen Familie. Dem gleichen Zwecke diente
damals auch der Ackerbau. Die angebauten Produkte waren unter anderen
Weizen, Roggen, Hafer, Bohnen, Erbsen und Weißkraut. Im hinteren
Bregenzerwald, wo es auch Ackerbau gab, wurde dieser aus klimatischen
Gründen früher als am Sulzberg zu Gunsten der Milchwirtschaft aufgegeben.
Von dort gibt es Berichte, dass schon nach dem dreißigjährigen Krieg Käser,
die aus der Schweiz kamen die Fettkäserei eingeführt hätten. Ab 1650 gab es
dort Vereinssennereien. Vom Jahre 1868 wird berichtet, dass es im Raum Au-
Schoppernau acht solche Sennereien gab.
Die Vermarktung der erzeugten Produkte besorgten geschickte fähige Leute,
später Käsegrafen genannt. Schon 1850 wurde von diesen Käse in die
Lombardei und nach Venezien verfrachtet und verkauft.
Bei uns am Sulzberg gab es ab 1893 Vereinssennereien. Innerhalb von 10
Jahren wurden 12 davon erbaut und in Betrieb genommen. Bis zu dieser Zeit
wurde die Milch von wenigen benachbarten Bauern oft in einem einzelnen
Keller von Bauern verarbeitet. Die Produkte dienten eher der Selbstver-
sorgung als der Vermarktung. In dieser Zeit wurde auch im Keller unseres
Stammhofes auf der Holderegg Milch verarbeitet. Dafür gibt es ein
Beweisstück welches ich selbst im Keller des Hauses auf einem Mauer-
vorsprung entdeckt habe. Es war ein Milchmessstab mit eingebrannten
Daten. Nachforschungen haben ergeben, dass dieser Messstab zusammen
mit einem dazugehörigen Bottich im Jahre 1888 das letzte mal geeicht
wurde. Mit diesem wurde die angelieferte Milchmenge gemessen.
Eine Verbesserung der Grünlandwirtschaft gab es durch Vereinödung unter
der Kaiserin Maria Theresia. Die bis dahin bestehenden gemeinsamen
Viehweiden wurden aufgelassen, der Besitz der Flächen wurde neu geregelt.
Dazu war ein Mehrheitsbeschluss der Grundbesitzer nötig. Auf den neu
zugeteilten Flächen wurden auch die Hofgebäude errichtet. Diese pionier-
hafte Aktion begann um 1750, ab 1771 wurde diese auch zwangsweise
durchgeführt. Eine Begründung zur Vereinödung mit Auflassung der
Gemeinschaftsweiden war die üble Nahrung für das Vieh auf diesen Weiden.
Niemand tat etwas um diese zu verbessern, es gab auch keine Düngung. Die
Privatisierung der Weiden war eine sehr erfolgreiche Maßnahme zur
Verbesserung der Futterqualität. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sich die
Grünlandwirtschaft und die Milchwirtschaft zum Besseren. 1792 wurde von
der Herrschaft Bregenz festgestellt, dass sich der Wohlstand der Bauern nach
der Vereinödung um das Fünffache vermehrt hätte (Zur Vereinödung am
53
Sulzberg habe ich einen ausführlichen Text geschrieben in „Sulzberg,
Stationen der Geschichte, 1999“).
Um 1900 war das Gebiet Sulzberg-Vorderwald ein Musterbeispiel der
Milchproduktion. Diese Tatsache führte dazu, dass die kuk-Bundesregierung
sich entschloss in Doren Huban einen Lehrbetrieb für Hartkäserei zu
errichten. Dort wurden in der Folge Käsereilehrlinge aus der ganzen
Monarchie ausgebildet.
Die Milchwirtschaft entwickelte sich sehr gut und brachte für die Bauern
verbesserte Einnahmen. Dies führte bei einzelnen Bauern wie berichtet wird
dazu, dass man bei den Kindern bei der Milch sparte. Von Direktor Reinisch
(gebürtig aus der Schweiz, Leiter der Käsereischule) – er zog im ganzen Land
umher um die Bauern über die Milchproduktion und der Verarbeitung besser
zu informieren - ist eine Äußerung bekannt die er zum Thema Einsparung des
Milchkonsum bei Kindern machte. Er sagte: „Es ist betrüblich zu sehen was
aus selbst besseren Bauernfamilien heraus für saft- und kraftlose Geschöpfe
herausgehen, weil man ihnen die Milch vorenthält.“
1894 wurde von 11 Bauern in der Umgebung von Simlisgschwend ein Verein
gegründet und eine Sennerei gebaut, die 3 Holderegger Bauern waren dabei.
Die Anlieferung der Milch erfolgte mit einer Tragebutte oder mit Pferde-
fuhrwerk. Von der Holderegg gab es einen gemeinsamen Pferdetransport.
Auf dem Hof Holderegg 82 wurden im Jahr 1928 13 Kühe gehalten. In der
milcharmen Zeit im Herbst kamen Tragebutten zum Einsatz. Ich war bei den
Trägern noch mit dabei. Die Vermarktung des Käses, es war Emmentaler,
erfolgte bis zur Gründung der Alma im Jahre 1921 über private Händler.
Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Milchwirtschaft dank
besserer Bewirtschaftungsmethoden und besserer Futterqualität sehr positiv.
In den Jahren 1962- 1963 wurde in Simlisgschwend die Sennerei neu gebaut.
Es kam zu verschiedenen Zusammenschlüssen von früher selbständigen
Sennereien.
Das Melken erfolgt heute durchwegs mit Melkmaschinen. Die Milch fließt
von der Kuh in einen gekühlten Milchtank. Von dort wird diese von einem
Tankwagen abgesaugt und in die Käserei gefahren. Die Milch unterliegt heute
sehr strengen Qualitätskriterien. Die Produktion von Milchprodukten ist eine
sehr vielseitige geworden.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die Milchwirtschaft eine sehr
bemerkenswerte Entwicklung hinter sich hat.
54
Milchbauern und Sennereien
Mai 2020
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Milch der Bauernfamilien von
Sulzberg jeweils im Keller eines Bauernhauses verarbeitet. Mehrere
Nachbarn brachten ihre Milch dorthin. Die hergestellten Milchprodukte
dienten mehr der Selbstversorgung als der Vermarktung. Genauere
Aufzeichnungen über die Anlieferung und die Verarbeitung der Milch gibt es
erst ab der Zeit, als die Bauern die Milchverarbeitung in Vereinen zu
organisieren begannen. Die erste bekannte gemeinsame Milchverarbeitung
in Sulzberg erfolgte ab dem Jahre 1860 im Keller des Gasthauses Bären
(heute Alpenblick). Man begann mit der Produktion eines haltbaren
Produktes, es war der Emmentaler Käse.
Die Entwicklung der Sennereibetriebe
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wurde die Milchproduktion immer mehr
intensiviert. Die erzeugten Milchmengen wurden immer mehr. Die Errichtung
von entsprechenden Verarbeitungsbetrieben wurde immer notwendiger.
Unter Bedachtnahme auf die Möglichkeiten der Milchanlieferung wurden
Sennereibetriebe, die auf Vereinsbasis geführt wurden, eingerichtet.
Entsprechende Gebäude mussten erstellt werden.
Aufzeichnungen aus dem Jahre 1935 weisen aus, dass die Milch der
Sulzberger Bauern an 15 Orten zu Käse verarbeitet wurden. Dies war damals
ein Fortschritt. Diese Verarbeitungsbetriebe waren ab den 1950er Jahren als
bäuerliche Genossenschaften organisiert.
Die Milchverarbeitungsbetriebe von 1935 in Sulzberg:
Gründungsjahr Anzahl der
Milchlieferanten
Sulzberg Dorf 1893 32
Simlisgschwend 1894 27
Hermannshansen 1904 13
Hinterberg 1905 28
Eschau (Haus Baldauf) 1911 14
Thal Dorf 1928 26
Schönenbühl 1929 11
Au Thal ca 1900 10
Zellers Oberreute 1911 8
Eibelesmühle ? 11
Buhmann Privatsennerei ? 10
Lindengschwend Haus
Mennel
? 8
55
Zusätzlich lieferten Sulzberger Bauern ihre Milch in Sennereien in
Nachbargemeinden: drei nach Doren Huban, zwei nach Riefensberg
Der Einzelhof Läßer in Stockreute hatte eine eigene Milchverarbeitung.
„Milchbock“ in der Parzelle Fehren; Foto Gebhard Blank 1972
Diese Anzahl an Sennereibetrieben gab es bis zum Jahre 1940. Von dieser Zeit
an haben sich in Abständen Sennereien vereinigt:
Jahr der
Vereinigung
Eschau an Schönenbühl 1940
Lindengschwend mit Simlisgschwend 1953
Buhmann an Sulzberg Dorf 1954
Eibelesmühle an Hermannshansen 1957
Zellers an Simlisgschwend 1963
Dorf Thal an Au 1967
Hinterberg an Sulzberg Dorf 1970
Schönenbühl an Dorf 1970
Hermannshansen an Simlisgschwend 1972
Au Thal an Doren Huban 1977
Simlisgschwend an Sulzberg Dorf 1996
Seit 1996 gibt es in Sulzberg nur mehr einen Milchverarbeitungsbetrieb. Es ist
die Sennerei Sulzberger Dorf. Dieser Betrieb wurde im Jahre 2001 an
Käsermeister Sepp Krönauer verpachtet. Der Betrieb läuft sehr erfolgreich
unter dem Markennamen Sulzberger Käserebellen. Dieser ist heute der
zweitgrößte Milchverarbeitungsbetrieb in Vorarlberg.
56
Karte: Sennereien in Sulzberg 1935; ÖK 1974 bearbeitet
Die Entwicklung der Milchproduktion
Die ersten nachweisbaren Mengen der in Sulzberg angelieferten Milch
stammt aus dem Jahre 1935. Damals wurden von den Sulzberger Bauern 2,8
Mio kg Milch angeliefert. Diese Menge stammte damals von 204 bäuerlichen
Familienbetrieben in Sulzberg. Durch Züchtungserfolge bei den Milchkühen
vor allem aber durch bessere Wirtschaftsmethoden und Intensivierung der
Düngung, insbesondere der besseren Qualität des Heues war das hofeigene
Futter entscheidend besser. Dazu kommt heute die Fütterung von
Kraftfutter.
Der sich im Laufe der letzten Jahrzehnte eingestellte Strukturwandel muss als
revolutionär bezeichnet werden. Von den 204 im Jahre 1935 aktiven
Sulzberger Milchlieferanten sind bis heute noch 50 übrig geblieben. Der
Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die an die Sennereien angelieferte
Milchmenge betrug 1935 2,8 Millionen kg. Im Jahr 2000 waren es 4,85 Mio kg
Milch. Ab dem Jahr 2000 gab es folgende Entwicklung der Milchliefermenge
der Sulzberger Bauern zur Sennerei Sulzberg:
Jahr Milchmenge (Mio kg)
2000 4,8
2005 4,9
2010 5,6
2015 5,9
2019 8,6 (7,1 ohne Biobauern)
Zu beachten ist, dass die Biobauern ihre Milch in früheren Jahren in der
Sennerei Langen verarbeiteten. Erst seit 2018 scheint diese Milchmenge in
der Statistik der Sennerei Sulzberg Dorf auf. Die Liefermenge betrug rd 1,5
Mio kg Milch.
57
Käsereimeister Adolf Feuerstein, Sennerei Simlisgschwend;
Foto Gebhard Blank 1972
Die Steigerung der Milchmenge insgesamt (ohne Biobauern) beträgt also in
den letzten 20 Jahren rd 48 %. In den letzten 5 Jahren liegt die Steigerung bei
5 % pro Jahr. Mit der Milchmenge, die an benachbarte Sennereien und an
Betriebe in Bayern angeliefert werden ergibt sich, dass in Sulzberg heute
rund 10,2 Millionen Liter Milch erzeugt werden.
Im Vergleich zu 1935 erzeugt heute also ein Viertel der Bauern fast das
Vierfache der Milchmenge. Im Jahre 1935 betrug die von einem Bauern im
Durchschnitt angelieferte Milchmenge rund 14.000 Liter. Heute sind es über
200.000 Liter.
Zu beachten ist dabei auch, dass die Zahl der Milchkühe in Sulzberg sich in
den letzten 50 Jahren nur unwesentlich verändert hat. Die größte Zahl an
Kühen wurde im Jahr 1979 mit 1697 Kühen gezählt. 1995 waren es 1556
Kühe, aktuell sind es 1557 Kühe in Sulzberg.
Die Entwicklung der Landwirtschaft am Sulzberg zeigt beispielhaft den großen
Strukturwandel und die Verbesserung und Intensivierung der Produktion der
bäuerlichen Betriebe. Die große Steigerung der Milchmengen gerade in den
letzten Jahren sind das Ergebnis der weiteren Intensivierung der Produktion
vor allem durch die Erhöhung der Menge an zugekauftem Futter und den
vermehrten Einsatz von zugekauftem Handelsdünger.
Quellen: Archiv Gemeinde Sulzberg
Statistik Sennereigenossenschaft Sulzberg und Biobauern
Sulzberg
Privatarchiv Konrad Blank
58
Die Wasserversorgung in Sulzberg
Jänner 2019
Als unsere Vorfahren die Stelle des Ortskernes von Sulzberg festlegten, dürfte
die Frage der Wasserversorgung wohl eine ernste Überlegung gewesen sein.
Auf dem Bergrücken, auf dem sich das Dorf entwickelte, steigt das Gelände
gegen Osten nur mehr einige Meter an. Dies genügte jedoch, um wenig über
dem Dorf eine Wasserquelle entspringen zu lassen. Aufgrund von mündlichen
Überlieferungen soll im heutigen Oberdorf, dort wo heute die Wohnblocks
stehen, eine Wasserquelle gesprudelt haben. Vom Wasser dieser Quelle
dürfte ab ca. 1700 ein Dorfbrunnen gespeist worden sein. Dieser Dorf-
brunnen, erst aus Holz, später aus Stein und Beton, dient durch Jahrhunderte
als Wasserspender für Mensch und Vieh im Dorf. In den Häusern gab es bis
zum Jahre 1950 kein fließendes Wasser. Eine Ausnahme gab es beim
Gasthaus Ochsen. Dort lag der landwirtschaftliche Gebäudeteil etwas tiefer
als der Dorfbrunnen, sodass das Überwasser vom Dorfbrunnen dorthin
fließen konnte. Für den Pfarrhof und die Mädchen Lehr- und Erziehungs-
anstalt wurde ab 1880 mit einem Widder Wasser vom Kalten Brunnen in
Häuslings in die zwei Häuser gepumpt. Vom Dorfbrunnen holten sich die
Dorfbewohnen ihr Wasser. Fünf Gasthäuser mussten versorgt werden. Für
das Vieh war der dortige Brunnen die Tränke. Ganz von selbst wurde der
Dorfbrunnen zum Kommunikationszentrum. Über Freud und Leid der
Dorfbewohner wurde dort getratscht.
Diese Idylle wurde jedoch auch oft getrübt. Es gab Zeiten in denn das Wasser
knapp wurde. Die Dorfbewohnen mussten sich dann beim Fellerbrunen
zusätzlich mit Wasser versorgen. Dieser lag etwas unter der Straße nach
Oberreute beim Haus Nr. 14 (heute Werner Mennel). Ein Problem war für die
Dorfbewohner auch das Wäsche waschen. Um dies zu erleichtern ließ der
Pfarrer von Sulzberg, Johann Konrad Heincel im Jahre 1729 beim
Fellerbrunnen eine Waschhütte bauen. Im Jahre 1844 wurde im Dorfbereich
von der Dorfbrunnenkonkurrenz eine Waschküche gebaut. Das Wasser
wurde vom nahen Dorfbrunnen bezogen. Im Jahre 1893 wurde an der
Südseite des heutigen Dorfplatzes eine Sennerei erbaut. Um den Platz für den
Bau frei zu bekommen, musste die Waschküche abgebrochen werden. Im
neuen Sennereigebäude wurde dann eine neue Waschküche eingebaut. Um
diese Waschküche und die Wasserversorgung für die Sennerei gab es lange
Verhandlungen zwischen der Sennerei, und der Dorfbrunnenkonkurrenz. In
einer Sitzung vom 24. 3. 1893 wurde die Frage diskutiert, ob man es zulassen
könne, dass vom Dorfbrunnen zur Sennerei eine Wasserleitung verlegt wird.
Dies wurde von der Versammlung verneint. Erst in einer Sitzung vom 16. 1.
1902 wurde die Genehmigung dazu erteilt. Der Brunnenmeister bekam
59
jedoch das Recht das Wasser abzusperren, wenn die Sennerei nicht
entsprechend sparsam mit dem Wasserbezug umgeht In der Folge stellte sich
heraus, dass der Wasserbezug der Sennerei, wie befürchtet, weit größer war
als angenommen. Es kam in der Folge öfters zu ernsthaften Reibereien. Die
Dorfbewohner beklagten sich für ihren Bedarf nicht mehr genügend Wasser
zu haben. Dem neunen Schweinestall wurde 1904 genehmigt, die Hälfte des
Überwassers vom Dorfbrunnen zu beziehen.
Dorfbrunnen Sulzberg, Foto Risch Lau 1956 (volare)
Quellen im Hochsträß
Schon um 1700 überlegte man sich ernsthaft den Dorfbrunnen mit Wasser
von Quellen die im Hochsträß gelegen sind zu fassen und das Wasser ins Dorf
zu führen. Im Hochsträß gab es am Rande des Hochmoores einige
Wasserquellen. Das Problem war, dass ins Dorf eine Leitung von 1800 Meter
Länge verlegt werden musste und der Höhenunterschied nur 15 Meter
betrug. Zwei Brunnenmacher, es waren dies Josef Bechter und Hans Baldauf,
gingen das Risiko ein eine Wasserleitung aus Holzdeicheln zu bauen. Am
Anfang trauten einige Dorfbewohner dem Unternehmen nicht. Sie waren
nicht bereit ihren Betrag als Vorausleistung zu bezahlen. Angeblich mussten
443 Holzdeichel in der Länge von 4 Metern angefertigt werden. Die
Unternehmer wollten dafür eine Vorauszahlung von 125 Gulden. Die
Mehrzahl der Dorfbewohner trauten dem Vorhaben. Die Leitung wurde
gebaut. Das Wasser kam beim Dorfbrunnen an. Eine Pionierleitung ist
gelungen.
Mit dieser primitiven Wasserversorgung musste sich der Dorfkern von
Sulzberg bis 1950 begnügen. Aus Aufzeichnungen von 1920 ist ersichtlich,
dass jährlich eine Deichelumlage eingehoben wurde.
60
Suche nach weiteren Quellen
Ab den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es mehrere Aktivitäten,
um das Dorf Sulzberg besser mit Wasser zu versorgen. Es wurden mehrere
Quellen untersucht mit negativem Ergebnis. Für die Fassung und Ableitung
der Quellen von der Parzelle Häuslingsmühle gab es 1930 ein baureifes und
genehmigtes Projekt. Aber die Ausführung des Vorhabens verzögerte sich. Es
gab Bedenken von Mitgliedern der Wasserkonkurrenz. Auch die Errichtung
eines Schutzgebietes oberhalb der Quellen machte Schwierigkeiten. Zum
Schluss brachten Wasserproben, welche im Jahre 1941 angeordnet wurden,
ein negatives Ergebnis. Das Projekt wurde nicht realisiert.
Im Jahre 1947 gab es eine große Trockenheit. Viele Wasserquellen versiegten
und dies im ganzen Gemeindegebiet. Es musste Wasser von Quellen, die
noch Wasser spendeten, herbeigeschafft werden. Zur Versorgung des Dorfes
holte man Wasser von Quellen, welche auf dem Grund der Pfarrpfründe
nordwestlich vom Dorf wo heute der Dorfschilift steht, entsprangen.
Gründung der Wassergenossenschaft Kirchdorf
Diese Trockenheit war für die Sulzberger ein Alarmzeichen dafür, dass
Entscheidendes geschehen muss um die Wasserversorgung zu verbessern.
Am 8. 1. 1948 kam es zur Gründung einer Wassergenossenschaft. Erster
Obmann wurde Alois Schmuck vom Gasthof Ochsen. Als Kassier und
Schriftführer wurde der Schulleiter Josef Ihler gewählt. Dieser bestimmte die
nachfolgenden Initiativen zur Verbesserung der Wasserversorgung
maßgebend. Es wurden Verhandlungen mit der Pfarre Sulzberg geführt,
damit das Wasservorkommen auf den Pfarrpfründen für die Ortsbewohner
genutzt werden konnte. Es ist positiv zu vermerken, dass die Pfarre dem
Anliegen um eine bessere Wasserversorgung zu bekommen, immer viel
Verständnis zeigte. Die Quellen wurden gefasst, Leitungen wurden verlegt
und ein Hochbehälter wurde gebaut. Den Hochbehälter baute man am
höchsten Punkt östlich des Dorfkernes. Alle Aushubarbeiten für den 150 m3
fassenden Hochbehälter und den Wasserleitungen wurden von Hand
ausgeführt. Am 22. 9. 1949 floss das erste Wasser, welches von den Quellen
in den Hochbehälter hochgepumpt wurde. Um 1950 gab es das erste Mal in
den Häuser des Dorfes und den Gasthöfen Fließwasser. Der Wasserdruck war
jedoch sehr gering. In der Folge wurden die Anforderungen an die
Wasserqualität immer strenger. Im Jahre 1971 wurde beim Hochbehälter
eine Aufbereitungsanlage mit UV-Bestrahlung eingebaut. Auf Grund des
stetigen Ansteigens des Wasserverbrauchs stieß man mit dem
Wasservorkommen in den 70er Jahren an die Grenzen. Notgedrungen musste
man sich nach zusätzlichem Waser umsehen. Mit der Gemeinde Doren wurde
verhandelt bis schließlich festgestellt wurde, dass Doren sein Wasser selber
braucht. Verhandlungen wurden auch mit der bayrischen Nachbargemeinde
Oberreute geführt.
61
Grundwasser aus dem Rotachtal
In der Folge kam es durch Zufall zu einer Lösung des Sulzberger Wasser-
problems. Im Rotachtal wurden seismologische Untersuchungen nach
Erdölvorkommen durchgeführt. Erdöl wurde keines gefunden, jedoch wurde
ein Grundwassersee entdeckt. Nachfolgende Bohrungen kamen zum
Ergebnis, dass in 18 Meter Tiefe Wasser in der Menge von 15 bis 18 Liter pro
Sekunde entnommen werden könnte. Ein Projekt zur Nutzung dieses Wassers
wurde vorangetrieben und auch realisiert. Über drei Pumpstationen wurde
dann das Wasser vom Tal der Rotach auf die Höhe von Sulzberg gepumpt.
Dabei mussten 510 Höhenmeter überwunden werden. Anstelle des
bisherigen Hochbehälters wurde im Jahre 2001 bis 2002 ein Wasserturm mit
einem Fassungsvermögen zweimal zweihundert Kubikmeter gebaut.
Der Turm hat eine Höhe von 19,5 Meter. Mit diesem Wasserturm wurde
erreicht, dass der Wasserdruck in den Häusern im Dorf wesentlich
angestiegen ist. Im Jahre 1992 wurden die Wasserquellen im Hochsträß neu
gefasst. Eine Pumpe liefert das Wasser von dort in den Wasserturm im
Oberdorf. Die Quellen mit der Pumpstation von der Pfarrpfründe wurden
dann stillgelegt. Zur bestmöglichen Absicherung der Wasserversorgung
wurde im Jahre 2001 zusätzlich eine Verbundleitung mit dem
Versorgungsnetz Oberes Allgäu erstellt und der Wasserbezug vertraglich
abgesichert. Sulzberg ist heute mit Wasser guter Qualität und ausreichender
Menge versorgt.
Der Tagesverbrauch an Wasser beträgt heute 300.000 Liter. Über ein
Leitungsnetz von 36 km werden gegenwärtig 253 Objekte mit Wasser
versorgt.
Die Wasserversorgung im übrigen Gemeindegebiet
An den Hängen der Sonnseite und der Schattenseite von Sulzberg gab es
früher viele Wasserquellen. Die meisten Häuser und Landwirtschaftsbetriebe
hatten ihre eigenen Quellen. Nach der Güte des Wassers wurde weniger
gefragt. Es war vielmehr die Menge des Wassers entscheidend. Früher gab es
an den Hängen von Sulzberg noch viele Sauerwiesen. Selbst auch auf sonst
trockenen Flächen gab es überall wieder Nassstellen. Viele Streuwiesen und
kleine Moore waren Wasserspeicher. Um die landwirtschaftlichen Flächen zu
intensivieren wurde beginnend vor 80 bis 90 Jahren viele Feuchtwiesen und
Nassstellen entwässert um größere zusammenhängende trockene
Wirtschaftsflächen zu erreichen.
Die zunehmende Düngung, besonders die Güllewirtschaft, veränderte die
Kulturflächen zusätzlich. Durch all diese Maßnahmen wurden die
vorhandenen Wasserquellen negativ beeinflusst. Viele Quellen wurden
schwächer oder versiegten sogar. Betroffen waren vor allem auch die
Sennereibetriebe, von denen es noch mehrere gab. Die Menge des Wassers
62
und auch die Qualität hatten den Erfordernissen nicht mehr entsprochen. Es
wurden Wassergenossenschaften gebildet, deren Aufgabe es war, nach
Wegen zu suchen, um die Versorgung mit Wasser nach Menge und Qualität
zu verbessern.
Die Wassergenossenschaft Simlisgschwend-Sonnseite
Diese Genossenschaft wurde 1960 gegründet. Erster Obmann war Josef
Blank, er war auch Obmann der Sennerei Simlisgschwend und später auch
Bürgermeister. Die Genossenschaft stellte sich die Aufgabe, die Sennerei
Simlisgschwend sowie die umliegenden Häuser der Parzellen Stein,
Simlisgschwend, Hermannsberg, Süßenwinkel, Holderegg, Mühnen,
Brunnenau, Spähen und Schüssel mit besserem und ausreichendem Wasser
zu versorgen. 31 Objekt wurden damals mit Wasser versorgt. Zwei Quellen in
der Parzelle Häuslingsmühle wurden erworben und gefasst. Ein Hochbehälter
wurde gebaut und ca. 5000 Laufmeter Leitungen verlegt. Im Jahre 2009
wurde die Genossenschaft erweitert. Der Name der Genossenschaft wurde in
Sulzberg-Sonnenseite umbenannt. Eine Wasserquelle in der Parzelle Glaf
wurde gefasst und dem neuerrichteten Hochbehälter in der Parzelle Stein
zugeführt. Zusätzlich wurde eine Verbindungsleitung zur Genossenschaft
Sulzberg Dorf erstellt. Im gleichen Zuge kam es zum Anschluss der früher
selbständigen Wassergenossenschaft Hermannshansen. Über diese
Genossenschaft wurden die Parzellen, Hermannshansen, Wandfluh, Fehren,
Unterhalden, und Gschwendele versorgt. Der überwiegende Teil der alten
Leitungen wurde durch neue ersetzt. Insgesamt hat das neue Leitungsnetz
eine Länge von 10 km. Mit diesem neuen Versorgungsnetz werden heute 50
Landwirtschaftsbetriebe und Haushalte mit Wasser versorgt. Zusätzlich
wurden in das neue Leitungsnetz 9 Hydranten zur Löschwasserversorgung
eingebaut.
Die Wassergenossenschaft Hinterberg-Schönenbühl
Die Gründung der Wassergenossenschaft Hinterberg erfolgte im Jahre 1962.
Das Wasser kam damals von einer Quelle aus der Parzelle Hünegg, später
auch von Höll. Die Versorgung erfolgt über ein Pumpwerk und einen
Hochbehälter von 70 Kubikmeter. Der Bau erfolgte 1963. Im Jahre 1973 kam
es zu einer Erweiterung des Versorgungsgebietes. In Schönenbühl wurde ein
Hochbehälter mit 90 Kubikmeter Inhalt gebaut, um die dortigen Häuser mit
Wasser zu versorgen. Der Name der Genossenschaft wurde in Hinterberg-
Schönenbühl umbenannt. Das Leitungsnetz der heutigen Genossenschaft hat
eine Länge von ca. 22 km. Für Löschwasserzwecke wurden 5 Hydranten
miteingebaut. Im Jahre 2002 wurden die Versorgungsnetze Hinterberg und
Schönenbühl mit einer Verbundleitung zusammengeschlossen. Gleichzeitig
63
wurde auch ein Netzverbund mit der Wassergenossenschaft Sulzberg Dorf
hergestellt.
Wassergenossenschaft Sulzberg-Thal
Im Jahre 1963 wurde in Thal eine Wassergenossenschaft gegründet, welche
sich zum Ziel setzte, die Ortschaft Thal mit ausreichend Wasser zu versorgen.
In Oberdreienau in einem Waldgebiet nahe der deutschen Grenze fließt das
Wasser mit natürlichem Gefälle in einen Hochbehälter. Von dort wurde ein
Versorgungsnetz in der Länge von ca. 4 km gebaut.
Versorgt werden heute 105 Haushalte in den Parzellen Oberdreienau,
Unterdreienau, Ecklismühle, Hagen, Krumbacher, Kuhn, Schützen und Teile
der Parzelle Herberg. Der Wasserverbrauch beträgt 80 Kubikmeter pro Tag.
Es gibt Überlegungen den Ortsteil Fahl, welcher bisher eine eigene
Wasserversorgung hat, an das Ortsnetz von Thal anzuschließen. Im Frühjahr
2019 beginnen die Bauarbeiten zum Anschluss des Ortsteiles Fahl.
Die Versorgung der restlichen Gemeindegebiete
Im Gemeindegebiet von Sulzberg gibt es noch einige weiße Flecken. Diese
Parzellen sind noch nicht an ein genossenschaftliches Versorgungsnetz
angeschlossen. Es gibt dort noch Wasservorkommen, durch welche die
dortigen Häuser ausreichend versorgt werden. Diese Gebiete liegen zudem
von den Versorgungsetzen der Wassergenossenschaften eher weit entfernt.
Die Genossenschaften stehen aber späteren Anschlusswünschen offen
gegenüber.
Hinweis: Dieser Aufsatz wurde im Jänner 2019 von mir geschrieben. Er
umfasst den damaligen Stand und nicht die aktuellen weiteren
Entwicklungen der Wassergenossenschaften.
Quellen:
Stationen der Geschichte Sulzbergs, Gebhard Blank „Wasser eine stete
Sorge“ 1999
Dokumentationen bei den einzelnen Wassergenossenschaften
Protokolle der Sennerei-Genossenschaften
Mündliche Informationen der Obmänner der Wassergenossenschaften
64
Landwirtschaftliche Materialseilbahnen in Sulzberg
September 2020
Vor der Erschließung der einzelnen Parzellen und Höfe mit Güterwegen
waren in vielen Fällen die Materialseilbahnen die einzige Möglichkeit, den
Transport von Waren zu bewältigen. Insbesondere die täglich anfallende
Milchlieferung an die Sennereien wurde durch die Seilbahnen wesentlich
erleichtert. Um die beträchtlichen Baukosten dieser Bahnen tragbar zu
gestalten, wurden diese Materialseilbahnen mit öffentlichen Mitteln
unterstützt.
Im Gemeindegebiet von Sulzberg wurden die ersten Seilbahnen bereits ab
dem Jahr 1911 errichtet. Weitere einzelne Bahnen wurden dann in den
1920er und 1930er Jahren errichtet. Der größte Teil wurde zwischen 1940
und 1960 gebaut. Einige wenige dann noch später. Von 1911 bis 1975
wurden insgesamt 26 landwirtschaftliche Materialseilbahnen mit einer Länge
von in Summe 18,5 km gebaut. Diese Seilbahnen taten durch Jahrzehnte
ihren Dienst. Die von Oberköhler nach Hinterberg sogar rund ein halbes
Jahrhundert.
Durch den Bau von Güterwegen und die Veränderung der Strukturen unserer
Sennereien wurden die Seilbahnen ab den 1970er Jahren zunehmend
entbehrlich. Der größte Teil davon ist heute abgebrochen. Nur noch eine
Seilbahn in der Parzelle Brunnenau ist heute in Betrieb.
Diese Seilbahnen sind heute fast gänzlich Geschichte geworden. Es darf
jedoch nicht übersehen werden, dass diese zur Entwicklung unserer
Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.
Um dies nicht in Vergessenheit geraten zu lassen habe ich diese Entwicklung
zu Papier gebracht. Informationen dazu und auch die angegebenen Längen
der Seilbahnen habe ich aus einer Aufzeichnung des Landes Vorarlberg
entnommen.
Die Seilbahnen von Sulzberg im Einzelnen
Die erste Seilbahn zum Zwecke der Milchanlieferung wurde schon im Jahre
1911 gebaut. Diese führte von der Parzelle Lindengschwend nach Zellers in
Oberreute. Die Besonderheit dieser Bahn war, dass sie über die Staatsgrenze
zu Deutschland führte. Die angelieferte Milch wurde im Keller des Hauses
Vögel in Zellers verarbeitet. Dahin lieferten die Bauern von Zellers und jene
vom österreichischen Gebiet aus den Parzellen Glafberg, Halden und Winkel
ihre Milch, jene von Lindengschwend kamen nun dazu.
Die Seilbahn von Lindengschwend hatte eine Länge von 1200 m. Die
Talstation stand vor dem Hause Vögel. Die Stützen dieser Bahn waren aus
65
Holz. Angetrieben wurde die Bahn mit eine Elektormotor. Der benötigte
Strom wurde von einem Wasserkraftwerk geliefert, welches mit Wasser aus
einer Hochdruckleitung vom Zellerbad betrieben wurde. Über diese Turbine
wurden auch die Sennerei und zwei Häuser mit Strom versorgt.
Schon 1914 wurde die Seilbahn eingestellt weil angeblich die Männer, welche
vom Betrieb der Bahn Kenntnisse hatten, in den Weltkrieg einrücken mußten.
Das Schicksal dieser Bahn war schon nach 3 Jahren Betrieb besiegelt, sie
wurde nie mehr in Betrieb genommen
Im Jahre 1929 wurde vom Hof Blank HNr 35 in Glafberg eine eigene
Milchseilbahn nach Zellers gebaut. Diese hatte eine Länge von 840 m. Die
Talstation stand vor dem Haus Vögel in Zellers. Es darf sogar angenommen
werden, dass diese noch von der oben beschriebenen Bahn von Linden-
gschwend stammte. Im Jahre 1963 schlossen sich die Bauern von Glafberg,
Halden und Winkel der Sennerei Simlisgschwend an. Aus diesem Grunde
musste auch die Seilbahn vom Hof HNr 35 verlegt werden. Die neue
Talstation stand an der Straße von Zellers nahe dem Hause Nr 40 (heute
Walter Fink). Die Bahn hatte eine Länge von 645 m.
In Glafberg gab es eine weitere innerbetriebliche Seilbahn. Diese führte vom
Hof HNr 38 (damals Friedrich Fink) zum Sommerstadel in seiner Viehweide.
Die Bahn hatte eine Länge von 265 m.
Zwei weitere Seilbahnen gab es in Hermannsberg. Vom Hof Maurer HNr 50
damals Georg Maurer wurde 1936 zur Sennerei Hermannshansen eine
Seilbahn gebaut. Diese hatte eine Länge von 440 m. Angetrieben wurde diese
Seilbahn mit einem Elektromotor. Der Strom wurde von einem
Wasserkraftwerk erzeugt. Das Wasser kam von einem Speicher oberhalb des
Hauses über eine Druckleitung zur Turbine.
Eine weitere Seilbahn wurde 1965 vom Hause damals Peter Keck zur Straße
in Hermannsberg gebaut. Diese diente der Milchanlieferung nach
Simlisgschwend. Die Bahn hatte eine Länge von 187 m. Die Bergstation stand
neben der Lehrerwohnung in Hermannsberg.
Im Jahre 1954 wurde von der Parzelle Lindengschwend zur Sennerei
Simlisgschwend eine Milchseilbahn gebaut, diese hatte eine Länge von 1380
m. Mit dieser Bahn wurde die Milch von 8 Bauern zur Sennerei gebracht.
Eine weitere Seilbahn wurde im Jahre 1949 von der Parzelle Brunnenau zur
Sennerei in der Parzelle Hasen in Riefensberg gebaut. Diese hatte eine Länge
von 680 m. Mit dieser Bahn lieferten drei Bauern ihre Milch in die Sennerei.
Nach Einstellung des Sennereibetriebes in Hasen lieferten zwei dieser Bauern
ihre Milch nach Simlisgschwend. Einer davon baute eine neue Seilbahn nach
Riefensberg-Riebinger zur dortigen Straße. Diese Bahn vom Hof HNr 92
66
(heute Gebhard Herburger) hat eine Länge von 645 m.
Eine weitere Innerbetriebliche Seilbahn wurde Im Jahre 1965 in der Parzelle
Ober gebaut. Die Bahn führte vom Hause HNr 109 heute Ewald Alber in die
Viehweide. Diese hatte eine Länge von 252 m und diente hauptsächlich dem
Milchtransport.
Talstation der Seilbahn von Lindengschwend bei der Sennerei Simlisgschwend,
Foto Gebhard Blank 1972
Im Jahre 1975 wurde vom Hause damals Georg Fink in die Viehweide eine
innerbetriebliche Seilbahn gebaut, diese hatte eine Länge von 350 m. Ebenso
wurde eine Milchseilbahn zur Straße in der Parzelle Schüssel mit 280 m Länge
gebaut.
Seilbahnen zur Sennerei Dorf
Nach dem Neubau der Sennerei Sulzberg Dorf im Jahre 1955 eröffnete sich
die Möglichkeit zum Bau einiger Seilbahnen:
1956 vom Hof Buch (damals Josef Anton Vögel) zur neuen Sennerei
mit 624 m Länge
1956/1957 von der Parzelle Falz mit 1176 m Länge
1959 vom Hof HNr 148 (heute Huber damals Flatz) mit 824 m Länge
Im Jahre 1958 wurde vom Einödhof Lässer in Stockreute zur Sennerei Sulz in
Doren eine Seilbahn von 1838 m Länge gebaut. Es war dies die längste Bahn
in Sulzberg. Sie diente dem Milchtransport.
67
Seilbahnen zur Sennerei Hinterberg
Schon im Jahr 1912 wurde von der Parzelle Oberköhler zur Sennerei
Hinterberg eine Seilbahn mit einer Länge von 900 m errichtet. Um die Milch
der Bauern von Oberköhler zu bekommen war die Sennerei bereit, 50 % der
Baukosten der Bahn zu übernehmen.
1946 wurde von der Parzelle Trabern eine Bahn mit einer Länge von 713 m
gebaut.
Im Jahre 1973 wurde vom Hof Bucher (Erna und Robert Hertnagel) zur
Landstraße eine Milchseilbahn mit 208 m Länge gebaut.
Seilbahnen zur Sennerei Schönenbühl
In den Jahren 1941 bis 1943 wurden hier folgende Seilbahnen errichtet:
Von Neugschwend, Hompmann mit einer Länge von 1270 m. In
Hompmann gab es eine Zuladestation
Von Eschau mit 1000 m Länge. Der Grund des Baues war der
Zusammenschluss der Sennereien Eschau mit Schönenbühl
Vom Hause Giselbrecht in Unterköhler mit 630 m Länge.
Im Jahre 1961 wurde von Höllmoos bis zum Hause Giselbrecht in Unterköhler
eine Anschlussbahn gebaut mit einer Länge von 469 m.
Seilbahnstation bei der Sennerei Schönenbühl nach Eschau,
Neugschwend-Hompmann und Unterköhler; Foto Gebhard Blank 1972
68
Seilbahnen zur Sennerei Au in Thal
In den Jahren 1946-1947 wurde die Seilbahn vom Hause Nussbaumer in
Fötschern mit einer Länge von 370 m errichtet.
1952 wurde die Bahn vom Hause Fink in Fötschern mit einer Länge von 263 m
gebaut.
1949 von der Parzelle Hütte mit einer Länge von 538 m.
Karte: Übersicht Seilbahnen in Sulzberg; Grundlage ÖK 50.000, 1974, bearbeitet
69
Alte Fuhrwege nach Sulzberg
Dezember 2017
Um das Dorf Sulzberg zu erreichen, sei es vom Tal der Rotach oder der
Weißach, sind zwischen 400 und 450 Meter an Höhe zu überwinden. In
früherer Zeit war es eine große Herausforderung diese Höhendifferenz mit
Wegen zu überwinden. Die erstellten Wege waren bestenfalls für
Pferdefuhrwerke benutzbar. Wenn man die alten Wegtrassen verfolgt, so ist
auffallend, dass man versuchte auf kürzestem Wege die Höhendifferenz zu
überwinden.
Dies hatte zur Folge, dass die Wege sehr steil waren. Die Wagenladungen für
ein oder auch zwei Pferde konnten vom Gewicht her nur sehr beschränkt
sein. Die Wege führten an manchen Stellen durch Hohlgassen, welche bei
starken Niederschlägen zu Wildbächen wurden. Die Erhaltung dieser Wege
war sehr schwierig. Der Zustand der Wege war oft sehr schlecht. Die
Benützer beschwerten sich öfters, sogar bei der Oberbehörde in Bregenz,
wegen der unzumutbaren Zustände. Die Beschwerden wurden von dort an
die Gemeinde weitergegeben. Die Gemeinde zitierte die zuständigen
Wegmacher. Die sollten die Übelstände beheben, was aber kaum zur
Zufriedenheit möglich war. Das nächste Unwetter kamen bestimmt. Dieser
Zustand war durch Jahrhunderte zu ertragen.
Verkehrssicherheit in Hohlgassen
Ein weiteres Problem war die Verkehrssicherheit in längeren Hohlgassen. Die
Wege waren einspurig und auch in den Hohlgassen sehr steil. Ein talwärts
fahrendes Fuhrwerk konnte nicht mehr anhalten. Es kam zu Zusammen-
stößen, wenn ein anderes Fuhrwerk gleichzeitig bergwärts auf dem Weg war.
Die Gemeinde sah sich auf Grund solcher Unfälle genötigt, für den Bereich
der Hohlgasse zwischen Höllmoos und Neugschend, eine Verkehrsvordung zu
erlassen. Die Pferde mussten mit einem Geröll ausgestattet sein. Vor Einfahrt
in die Hohlgasse musste das Fuhrwerk anhalten, um sich zu vergewissern,
dass kein Fuhrwerk entgegenkommt. Das Geröll musste lautstrakt betätigt
werden. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen unter welchen unguten
Bedingungen Waren zu transportieren waren. Zudem war diese Weganlage
die einzige Verbindung mit dem Rheintal und der Landeshauptstadt. Es gab
keinen Ausweg. Diese unguten Wegverhältnisse dauerten über Jahrhunderte.
Ab Beginnt des 20 Jh. bildeten sich Interessengemeinschaften, die sich um
den Ausbau von Teilstrecken kümmerten. Mit Unterstützung der öffentlichen
Hand wurde auf diese Weise in Etappen Wegstrecken ausgebaut bzw.
verbessert.
In alter Zeit gab es vier Wege die nach Sulzberg führten.
70
Karte der Pfarrei Sulzberg von 1812; Original von Leonhard Fink Doren-Halden; bearbeitet
Fuhrweg von Fahl
Der Hauptweg führte vom Rotachtal von Sulzberg Fahl nach Sulzberg Dorf.
Dieser überwand rund 450 Höhenmeter. Über eine erste Steilstufe erreiche
der Weg die Parzelle Eschau. Die nächste Geländestufe führte über
Hompmann nach Neugschwend. Von dort gab es wieder einen Anstieg durch
das Höllholz nach Höllmoos. In diesem Wegteil gab es den berüchtigten
langen und steilen Hohlweg. Über die nächste Geländestufe kam man nach
Oberköhler und schließlich in die Parzelle Falz. Vor der Falzkapelle führte der
Weg wieder über eine länger Hohlgasse. Von dort war der Wegverlauf flach
und führte vorbei an der Kapelle St. Leonhard und schließlich zum Dorf
Sulzberg.
Wenn man nach Bregenz wollte, benützte man diesen Weg von Rotach nach
Langen. Von dort ging es wieder stark bergauf in die Parzelle Stollen. Von
dort führte ein steiler Abstieg ins Wirtatobel. Weiter ging es wieder bergauf
zur Ortschaft Fluh und weiter nach Bregenz. Die Wirtatobelstraße, wie sie
heute besteht, gab es erst zum Anfang des 20. Jh.
Der Ausbau der Straße von Fahl nach Sulzberg begann mit der ersten Etappe.
Es war jene von Fahl nach Eschau. Der Bau erfolgte im Jahre 1917. In den
71
Jahren 1927 bis 1932 baute man auf Privatinitiative eine neue Straße durch
das Hompmanntobel nach Schönenbühl. Dies war eine private
Pionierleistung. Über diese Straße erreichte man in der Folge das Dorf
Sulzberg auf einem bequemeren Weg. Nach der Übernahme der Straße von
Fahl nach Sulzberg als Landesstraße, es war im Jahre 1969, wurde diese vom
Land in Etappen ausgebaut. Insbesondere die Brückenbauten über das
Hompmanntobel nach Schönenbühl waren sehr kostenaufwändig. Sie
brachten aber eine optimale Verbesserung der Verkehrssituation.
Fuhrweg von Riefensberg-Hasen
Der Fuhrweg von der Hasenbrücke nach Sulzberg von Riefensberg kommend
führte eine alte Wegtrasse von der Hasenbrücke, welche über die Weißach
führte, nach Sulzberg. Der Wegverlauf führte über Brunnenau, Simlis-
gschwend, Stein und Landrat zum Dorf Sulzberg. Die jetzige Hasenbrücke als
Übergang über die Weißach wurde 1900 bis 1901 als Betonbrücke erbaut.
Gebaut wurde diese vom Maurermeister Durrer aus Weißach bei
Oberstaufen. Es gab dort schon eine Vorgängerbrücke. Es war diese eine
gedeckte Holzbrücke. Sie stammte aus dem Jahre 1599. Die Brücke war lange
Zeit der einzige Übergang über die Weißach, welcher mit Pferdefuhrwerken
befahren werden konnte. In der Parzelle Hasen auf Riefensberger Seite gab
es eine Sennerei und einen Hufschmied. Die Beschläge der Pferde mussten in
Ordnung sein um den steilen und kurvenreichen Weg nach Sulzberg zu
bewältigen. Für die Bauern in der Parzelle Brunnenau war es zudem der
Milchweg, um die Milch in die Sennerei Simlisgschwend zu bringen. Die
Sennerei lag an diesem Weg.
Im Jahre 1945 erreichte dieser Weg eine unrühmliche Bekanntheit.
Französische Truppen versuchten mit Panzern über die Hasenbrücke in den
Vorderwald zu kommen. Auf der Fahrt, nach der Parzelle Brunnenau, ist ein
Panzer in einer sumpfigen Streuwiese stecken geblieben. Der Panzer konnte
trotz Bemühen nicht mehr flottgemacht werden. Er blieb dort viele Jahre als
Kriegsrelikt liegen.
In den Jahren 1972 bis 1976 wurde das Teilstück dieses Weges von der
Hasenbrücke bis Simlisgschwend als Güterweg ausgebaut. Von Simlis-
gschwend führte der Weg über einige Kurven und über eine Nagelfluh-
Felsrippe in die Parzelle Stein. Von Stein gab es einen steilen Anstieg in die
Parzelle Landrath. An der Grenze von Stein zu Landrath lag oberhalb des
Weges ein Steinbruch. In der Natur ist heute noch eine Schutthalde, welche
von Abräummaterial gebildet wurde, erkennbar. Sehr wahrscheinlich wurden
von diesem Steinbruch Steine zum Bau der Sulzberger Pfarrkirche abgebaut.
Der Abtransport der Steine erfolgte über den beschriebenen Fuhrweg. Der
weitere Verlauf des Weges bis ins Dorf führte über mäßige Steigungen.
In den Jahren 1928 bis 1930 wurde der Weg von der Parzelle Stein nach
Landrath neu trassiert und gebaut. Durch diesen Ausbau ist eins schwieriges
72
Teilstück dieses Weges weggefallen. Im Jahre 1945 rutschte ein Teil dieser
Straße im oberen Bereich der Parzelle Stein ab. Bei der Sanierung dieser
Rutschung wurden neben verschiedenen Hilfskräften auch Sulzberger
Nazifunktionäre eingesetzt. Diese mussten dort eine milde Sühne leisten.
Fuhrweg von der Gschwendbrücke – Weißach
Über die Gschwendbrücke, sie führte über die Weißach, führte ein Fuhrweg
über Gschwendmühle, Gullenbach, Müselbach nach Bröger und von dort
über die deutsche Grenze weiter nach Weiler. Im oberen Bereich der Parzelle
Gschwendmühle zweigte ein Fuhrweg, der nach Sulzberg führte, ab. Der
Wegverlauf ging über Gullenbach durch das Mühleholz nach Hermannsberg.
Von dort verlief der Weg durch ein kleines Zwischental entlang des
Müselbachs nach Guggeien. Am Müselbach gab es einige Mühlen, Stampfe
und eine Säge. Von Guggeien ging es steil bergauf in die Parzelle Landrath.
Dort mündete der Fahrweg in jenen der von der Hasenbrücke über Brunnen,
Simlisgschwend ins Dorf führte.
Es dürfte Anfang der 1920er Jahre gewesen sein. In dieser Zeit wurde die
Straße von der Parzelle Gullenbach bis Hermannsberg neu trassiert und
gebaut. Zum Baugeschehen gibt es keine Unterlagen. Die Datierung dieses
Wegebaues war möglich, weil im Jahre 1925 in einem Beschluss der
Gemeindevertretung von Sulzberg die Straßenbetreuungsbezirke festgelegt
wurden. Ein Betreuungsbezirk war der Fuhrweg bzw. die Straße vom
Gullenbach bis zum Hause Keck in Hermannsberg. Dort mündet die Straße in
jene, welche von Doren-Huban quer über die Sonnenseite von Sulzberg über
Kreier, Simlisgschwend und Hermannsberg weiter über die Staatsgrenze nach
Zellers führte. Die Fortsetzung der Straße, die von Gullenbach kam, führte ab
dem Hause Keck über diese Straße bis Simlisgschwend. Dort mündete sie in
jene die von der Hasenbücke kam ein. Damit verlief die alte Fuhrstraße nach
Sulzberg auf einer fast gänzlich neuen Trasse.
Mit dem Vorarlberger Landesstraßengesetz von 1969 wurde die Straße von
Sulzberg nach Riefensberg zur Landstraße erklärt. In der Folge wurden vom
Land Vorarlberg Verbesserungen an der Straße durchgeführt. Die Brücke
über die Weißach wurde neu gebaut.
Fuhrweg von Doren
In der Parzelle Huban in Doren zweigte dieser Weg von der Straße, welche
nach Doren Moos und Krumbach führte, links ab. Es war, wie man sie damals
nannte, eine Konkurrenzstraße. Das heißt, die Verwaltung und Erhaltung ist
auf mehrere Partner aufgeteilt. Die Trasse dieses Weges führte auf
kürzestem Wege steil nach oben. Der Wegverlauf führte über die Parzelle
Stein, Halden, Hochstadel nach Stockreute. Der Weg war damals innerhalb
der Gemeinde von Bedeutung. Das Gebiet der heutigen Gemeinde Doren
73
gehörte damals noch zu Sulzberg. Die Stockreute war ein Einzelhof und von
Nachbarn weit abgelegen. Dieser Hof war durch den genannten Weg
erschlossen. Von Stockreute führte der Weg schon fast auf Höhe Sulzberg in
östlicher Richtung. Bei der Falzkapelle mündet der Weg in jenen, der vom
Fahl über das Höllholz führte, ein.
Fuhrweg von der Falzkapelle Richtung Höllholz
Ab 1900 wurde die heutige Straße von Doren nach Sulzberg auf der heute
bestehenden Trasse als Gemeindestraße gebaut. 1907 wurde dieselbe
fertiggestellt. Diese Straße führte von Sulzberg weiter zur Landesgrenze und
das benachbarte bayrische Gebiet. Durch die Tatsache, dass dies Straße zu
einem Zollamt führte, konnte zu den Baukosten ein Staatsbeitrag erreicht
werden. Nach dem Bau dieser Straße verlor der alte Konkurrenzweg an
Bedeutung. Er wurde kaum noch benutzt. Für den Hof Lässer in Stockreute
war dies bitter. Die bisherigen Miterhalter des Weges waren nicht mehr
bereit für die Erhaltung aufzukommen. Der Besitzer des Hofes Stockreute
stellte im Jahre 1927 an die Gemeinde den Antrag, der Weg von der
Gemeindegrenze zu Doren bis zu Falzkapelle möge als Gemeindestraße
übernommen werden. Die Gemeinde lehnte diesen Antrag ab. In den Jahren
1974 bis 1976 wurde dann das Gebiet Falz Stockreute und Höllmoos durch
den Bau eines Güterweges erschlossen.
Mit der Beschreibung der Fuhrwege die nach Sulzberg führten, soll in
Erinnerung gerufen werden, unter welchen Bedingungen unsere Ahnen hier
zu leben hatten. Die Menschen ließen sich trotz unguten Verhältnissen nicht
entmutigen. Sie behielten Recht, die Verhältnisse verbesserten sich langsam
aber stetig. Heute sind alle Parzellen von Sulzberg durch Straßen erschlossen.
Die Motorisierung machte es dann möglich, entferntere Ziele in kurzer Zeit zu
erreichen. Die von den Bauern erzeugte Milch wird heute mit Tankwagen bei
74
jedem Hof abgeholt. Notwendige Betriebsmittel können zu allen Höfen
gebracht werden. Trotz der Beiträge jedes Hofes zu den Kosten zur
Verbesserung der Infrastruktur darf nicht übersehen werden, dass
entscheidende Beiträge von der öffentlichen Hand für diese Wegbauten
gelistet wurden um die Infrastruktur zu verbessern. Dieser Ausgleich schafft
vergleichbare Lebensbedingungen und soziale Ausgewogenheit.
Alte Sagen zu den Fuhrwegen
Alte Sagen berichten von verschiedenen Geschehen der damaligen Zeit, die
sich auf den genannten Fuhrwergen abgespielt haben.
Der Mann im Höllholz
Da gab es früher einen Mann, der trank über den Durst und fluchte viel.
Einmal ging er wieder betrunken durchs Höllholz hinunter. Auf einmal kam
der Teufel in Gestalt eines Geißbockes daher und sagte: „Wenn er weiter so
lebt wie jetzt, dann werde er ihn bald holen.“ Dann packte er ihn mit den
Hörnern zwischen den Füßen und sprang mit ihm davon. Am Morgen lag
dieser Mann weit weg in einem Tobel. Von dieser Zeit an trank er weder
Wein noch Schnaps. Das Holz wurde Höllholz genannt.
Der Schluchehund
Das Ereignis spielte sich auf dem Weg von Gullenbach nach Sulzberg ab. Im
Bereich Hermannsberg-Guggeien zog sich der Weg zwischen zwei Felsrücken
wie ein Schlauch (Schluche) hindurch. Dort gab es das Ereignis mit dem
Schluchehund. Ein Bauer namens Marxer lebte in der Parzelle Bröger. Er ging
bzw. ritt mit seinem Pferd öfters ins Dorf und trank mehr als ihm guttat. Eines
nachts kam sein Pferd ohne ihn nach Hause. Man war besorgt und ging
diesen Mann suchen. Im Schluchen (zwischen der Säge Keck und Guggeien)
fand man ihn. Er lag auf der Straße. Auf die Frage was geschehen wäre, sagte
Marxer: „Ein Hund hätte das Pferd geschreckt und ihn abgeworfen.“ Dieser
war dann der Schluchehund.
Quellen:
Vorarlberger Landes Archiv, Bregenz
Gemeindearchiv Sulzberg in Thal
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Straßen und Wege in Sulzberg
Dezember 2020
Die Gemeinde Sulzberg war über viele Jahrhunderte nur über einen
Karrenweg zu erreichen. Ein Schreiber der Sulzberger Geschichte, vermutlich
war es Johann Georg Wipper, schrieb vor ca. 100 Jahren: „Sulzberg hat mit
keiner Straße eine ordentliche Verbindung. Es fällt schwer mit einem Wagen
dorthin zu kommen. Heute ist es möglich, über die neue Poststraße nach
Sulzberg zu kommen.“
Gemeint hat er damit, die neue Straße von Doren nach Sulzberg. Diese wurde
in den Jahren 1900 bis 1907 als Gemeindestraße gebaut. Es war dies eine
große finanzielle Belastung für die Gemeinden Doren und Sulzberg. Da diese
Straße zu einem Zollamt und danach in die bayrische Nachbarschaft führte,
konnte ein Beitrag des Staates erreicht werden.
Landesstraßen
L 20 Dorener-Straße von Doren bis zur Staatsgrenze
Die erste Straße von Doren nach Sulzberg wurde vor 113 Jahren fertiggestellt.
Sie führte von Doren bis an die Staatsgrenze in Sulzberg. 1969 ist diese Straße
zur Landesstraße erklärt worden. In der Folge wurde die Straße etwas
verbreitert, mit Ausweichen versehen und asphaltiert. Im Jahre 1964 wurde
die Ortseinfahrt in Sulzberg von St. Leonhard bis zur Sennerei neu gebaut.
1951 wurde die Ortsdurchfahrt von Sulzberg mit einem Belag versehen. 1952
wurde die Belagstrecke bis zur Staatsgrenze verlängert. Im Jahre 1970 wurde
die Zufahrt zur Staatsgrenze neu gebaut und auf 5,50 m verbreitert. 1979
wurde die Straße vom Ortskern Doren Richtung Sulzberg in einer Länge von
900 m neu gebaut. Die restliche Strecke wartet noch auf den Ausbau.
L 21 von Sulzberg-Fahl nach Riefensberg
Der Ausbau dieser Straße erfolgte in mehreren Etappen als Konkurrenz- und
Gemeindestraße. Im Jahre 1917 wurde auf Privatinitiative die erste Etappe
dieser Straße von Fahl bis Eschau gebaut. In den Jahren 1927 bis 1932 wurde
ebenfalls auf Privatinitiative die Straße von Eschau bis Schönenbühl gebaut.
Durch das Hompmanntobel eine Straße zu bauen war eine Pionierleistung. In
der gleichen Zeit wurde die Straße von Schönenbühl nach Hinterberg gebaut.
Von dieser Zeit an hat die durch Jahrhunderte bestehende Wegverbindung
über Neugschwend, Höllmoos bis Falz ihre Bedeutung verloren.
Im Jahre 1941 wurde die Straße von Fahl bis Sulzberg-Dorf zur Landesstraße,
damals L 112, erklärt. Bis dahin war dies eine Gemeindestraße, wobei das
Land Vorarlberg zu den Baukosten 50 % beisteuerte.
Ab 1952 erfolgte in mehreren Etappen der Ausbau der Straße von Fahl bis
nach Sulzberg. Dies begann mit dem Ausbau der Straße von Brucktobel bis
zur Sennerei in Sulzberg. Dieses Baulos, in der Länge von 800 m wurde 1959
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fertiggestellt. In den Jahren 1966 bis 1968 kam es zum Ausbau der Straße von
Schönenbühl bis Brucktobel. Dieses Baulos hatte eine Länge von 2,2 km.
1974 erfolgte der Ausbau von Fahl Richtung Sulzberg in einer Länge von 1,25
km. Danach erfolgte der Ausbau des schwierigsten Straßenstückes von
Eschau nach Schönenbühl mit einer Länge von 1,8 km. Das Hompmann-Tobel
musste mit zwei Brücken, mit jeweils einer Spannweite von 83 und 109 m,
überquert werden. Die Fertigstellung erfolgte 1980 mit einer bescheidenen
Feier.
Die Verbindung mit Riefensberg wurde 1969 ebenfalls zur Landesstraße
erklärt. Dies war für die Gemeinde eine große Entlastung. 1975 bis 1976
wurde diese Straße in der Länge von 3,7 km mit Ausweichen versehen und
staubfrei gemacht. 1978 bis 1979 wurde das Baulos auf Riefensberger Seite in
der Länge von 300 m mit dem Bau einer Brücke über die Weißach
verwirklicht.
Erinnerungen an die Diskussion zum Landesstraßenkatalog
Nach dem neuen Landesstraßengesetz von 1968 musste der
Landesstraßenkatalog neu erstellt werden. Die Diskussion dazu damals im
ÖVP-Club, ist mir noch in bester Erinnerung. Im Entwurf des Straßenkatalogs
von 1969 schien die Straße von Fahl nach Sulzberg als Landesstraße nicht auf.
Dies deshalb, weil im Gesetz bestimmt war, dass Straßen zu Landesstraßen zu
erklären sind, welche zwei Gemeinden miteinander verbinden. Die Straße
Sulzberg Fahl verläuft jedoch nur auf dem Gemeindegebiet von Sulzberg.
Bei Beratung der Verordnung zum Landesstraßenkatalog im ÖVP-Club habe
ich mit offensichtlich guten Argumenten die Aufnahme dieser Straße in den
Landesstraßenkatlog vertreten. In einer Kampfabstimmung konnte ich mich
für die Aufnahme und den Ausbau dieser Straße durchsetzen.
Die Gemeindestraßen
Die Gemeinden Vorarlbergs können nach dem Landestraßengesetz für sie
wichtige Straßen im Gemeindegebiet als Gemeindestraßen erklären. In
Sulzberg gibt es folgende Gemeindestraßen:
Die Sonnenseiterstraße von Simlisgschwend bis zur Parzelle Kreier an
der Grenze zu Doren
Die Lindengschwenderstraße vom Ortszentrum zur Parzelle
Lindengschwend
Die Thalerstraße von Fahl bis zum Zentrum der Ortschaft Thal
Die Schulstraße in Sulzberg-Dorf
Die Falzerstraße von St. Leonhard bis zur Falzkapelle
Die Glafbergerstraße von Hermannsberg bis Zellers
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In früheren Zeiten gab es weit mehr Straßenkilometer die von der Gemeinde
zu erhalten waren. Bis 1941 war es die Straße von Fahl bis Sulzberg und bis
1969 die Straße von Sulzberg Richtung Riefensberg bis zur Gschwendbrücke.
Vor Übernahme durch die Gemeinde waren diese Straßen teilweise
Konkurrenzstraßen, das heißt, die Anrainer und Benutzer waren dafür
zuständig. Die gesetzliche Übernahme der letztgenannten Straße durch das
Land Vorarlberg war für die Gemeinde eine große Entlastung. Durch diese
Entlastung sah sich die Gemeinde in der Lage auf allen Straßen in der
Gemeinde, außer den Landesstraßen, die Schneeräumung zu übernehmen. Es
betrifft dies, neben den Gemeindestraßen, alle Güterwege und alle
Privatstraßen.
Die Schneeräumung ist gut organisiert und erfolgt zu großer Zufriedenheit
der Anrainer. Die Arbeit besorgen Bauern mit ihren Traktoren. Es ist dies für
sie ein Zuerwerb, jedoch immer abhängig von der Schneelage und deshalb
sehr unsicher. Die Einhebung einer Abgabe für Hand- und Zugdienste ist eine
bescheidene Gegenleistung, welche die Hausbesitzer jährlich zu erbringen
haben.
Güterwege und Hofzufahren
Beginnend mit dem Jahre 1955 wurden im Gemeindegebiet von Sulzberg
über 50 Güterwege und Hofzufahren gebaut. Diese Wege haben eine Länge
von rund 43 km. Diese Wegebauten, die Privat- bzw. Genossenschaftsstraßen
sind, waren nur möglich, in dem von Land und Bund ein hoher
Förderungsanteil zur Bausumme beigesteuert wurde. Die Gemeinde gewährt
den Weginteressenten, für ihre trotz Förderung noch hohen Selbstbehalte,
zusätzlichen einen Beitrag.
Durch den Bau dieser Güterwege wurden viele Parzellen und Einzelhöfe im
Gemeindegebiet mit Zufahrtswegen erschlossen. Früher gab es oft keine oder
völlig unzureichende Zufahrten.
Diese Güterwege erfüllten ihren Zweck. Am Anfang des Baues dieser Wege
dachte man jedoch noch nicht an eine Staubfreimachung. Diese erfolgte erst
später. Das Befahren dieser Wege mit Schwerlastern, wie z.B. die
Milchtankwagen, war damals noch nicht absehbar.
In den letzten Jahren wurden viele dieser Wege saniert und den heutigen
Anforderungen angepasst. Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass
durch den Bau all dieser Wege die Infrastruktur im Gemeindegebiet
wesentlich verbessert wurde.
Forstwege
Zur Erleichterung der Holzbringung wurden in den letzen Jahren ca 20
Forstwege gebaut. Durch diese Wege, die meist genossenschaftliche Anlagen
sind, wurde die Waldbewirtschaftung wesentlich erleichtert. Gerne werden
diese Wege für Wanderungen benutzt.
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Übersicht Straßen- und Wegenetz in Sulzberg:
Das gesamte Straßennetz im Sulzberger Gemeindegebiet hat eine Länge von
79,5 km. Davon sind 20,4 km Landesstraßen, 11 km Gemeindestraßen, 43 km
Güterwege und Hofzufahrten, 5,1 km private Hauszufahrten.
Quellen:
Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Land- und Forstwirtschaft
und die Abteilung Straßenbau
Archiv Gemeinde Sulzberg
Privatarchiv Konrad Blank
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Die Familien Blank und Vögel in Sulzberg
Dezember 2020
Zu diesen beiden großen Sulzberger Familien brachte ich deren jahrhunderte-
lange Geschichte zu Papier. Die Übernahme der gesamten Aufzeichnungen in
der Langfassung würden den Rahmen dieser Sammlung sprengen. Aus
diesem Grunde habe ich hier wesentliche Daten kurz zusammengefasst.
Die Familie Blank auf der Holderegg
Der erste Vertreter der Blank-Familie auf der Holderegg war Konrad Blank
(*1682 in Doren Huban). Er heiratete 1719 Frau Anna Maria Schmid, Tochter
von Jakob Schmid, Besitzer des Anwesens von HNr 83. Er war Sohn von
Johannes Blank, der bei der ersten freien Wahl im Jahr 1711 zum Amann von
Sulzberg gewählt wurde.
Der Hof in Holderegg HNr 83 hatte eine Fläche von über 30 ha. Er wurde 1753
geteilt. Von Josef Blank (Sohn von Konrad) wurde der neue Hof HNr 82
erbaut. Seit dieser Zeit gibt es zwei Blank-Familien auf der Holderegg.
Beide Blank Familien hatten zahlreiche Nachkommen.
Hier die Familienmitglieder beider Höfe aus den 1940er Jahren.
Familie Alois und Anna Blank
ca 1949; mit den Kindern Josef,
Heinrich, Paul, Gebhard und
Anna
Familie Josef und Katharina
Blank ca 1941; mit den Kindern
Emma, Friedericke, Konrad und
Armin
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Beide Blank Familien hatten zahlreiche Nachkommen. Aus ihnen
entwickelten sich drei Blank-Linien in Sulzberg: Die Holderegger Linie, die
Falzer-Linie mit dem Stammvater Johann Jakob (*1757), die Gerber Linie mit
dem Stammvater Johann Konrad Blank (*1801) und die Polder Linie mit dem
Stammvater Leopold (*1800). Von allen drei Linien gibt es heute eine große
Anzahl von Nachkommen.
Einige wenige Persönlichkeiten, die aus den Blank-Familien hervorgingen,
möchte ich hier erwähnen:
Johann Konrad Blank (*1757) war Ordenspriester und Professor der
mathematischen Wissenschaften an der Akademie der bildenden Künste in
Wien. Er wurde 1827 Opfer eines Raubmordes.
Johann Konrad Blank (*1801) von Sulzberg-Erathen war Gerbermeister und
Gemeinderat in Sulzberg. Er war auch Mitglied der Handwerkerzunft
Andelsbuch.
Konrad Anton Blank (*1894) war lange Jahre verdienstvoller Direktor der
Hauptschule in Bezau. Sein Sohn Konrad Blank (*1920) war Direktor des
Gymnasiums in Bludenz.
Gebhard Blank (*1930) war viele Jahr im Stadtarchiv von Stuttgart führend
tätig. In seinem Ruhestand erwarb er sich viele Verdienste bei der
Aufarbeitung der Gemeinde- und Pfarrgeschichte von Sulzberg.
Josef Blank (*1925) aus Sulzberg-Brunnenau war von 1965 bis 1994
verdienstvoller Bürgermeister von Sulzberg. Ihm folgte in dieser Funktion sein
Sohn Helmut Blank (*1960), der von 1994 bis 2020 Bürgermeister war.
Zahlreiche Nachkommen der Familie Blank leben heute in vielen Gemeinden
Vorarlbergs und in folgenden Orten darüber hinaus: Scheidegg, Stans,
Sauldorf (Baden Württemberg), Scherzenbach und Dällikon (CH).
Im Jahr 2019 wurde zum Anlass „300 Jahre Blank-Familien auf der Holderegg“
ein großes Familientreffen gefeiert.
Heute wohnt auf dem Hof HNr 82 Gabriele und Gebhard Blank mit Familie, er
wird bewirtschaftet von Reingard und Alois Blank. Der Hof HNr 83 wird von
meinem Sohn Konrad mit Helene und Familie bewirtschaftet.
Langfassung:
300 Jahre Familie Blank in Sulzberg-Holderegg; Konrad Blank, März 2019
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Die Familie Vögel
Eine der bedeutendsten Familien in Sulzberg war durch Jahrhunderte die
Familie Vögel. Der Stammvater war Konrad Vögel, geboren 1580. Er war von
Beruf Bäcker und wohnte in Sulzberg-Dorf. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war
er Tafernwirt (heute Gasthof Ochsen). Ihm und seinen Brüdern wurde als
einziger Familie in Sulzberg im Jahr 1604 ein Wappen verliehen.
Der Wappenbrief wurde am 14.
September 1604 vom Abt des
fürstlichen Stiftes Kempten,
Johann Adam und Commes
Palatinus, ausgestellt.
Wappen der Familie Vögel aus 1604
Konrad Vögel wird auch „Der Stifter“ genannt. Dies deshalb, weil er die
Stiftung für Studienstipendien gründete. Aus Mitteln dieser Stiftung wurden
Studenten unterstützt, die den Priesterberuf anstrebten. Die Wirkung war
offensichtlich: Aus der Familie gingen im Laufe der Geschichte 13 Priester
hervor. Neben dieser gab es von ihm noch weitere fünf Stiftungen, zB auch
der Hochaltar der Leonhardskapelle nach dem Schwedenkrieg 1650.
Aus der Familie Vögel gingen drei Ammänner und ein Vorsteher der
Gemeinde Sulzberg hervor:
Martin Vögel (*1676) war 28 Jahre Ammann
Johann Peter Vögel (*1713) war 8 Jahr Ammann (beide wohnhaft in
Gschwendmühle)
Johann Georg Vögel (*1744) war 35 Jahre Vorsteher in Sulzberg
Johann Konrad Vögel (*1785) war 39 Jahre Vorsteher in Sulzberg
Die beiden letztgenannten wohnten auf dem Hof in Sulzberg-Buch. Dieses
Anwesen hatte die Familie Vögel im Jahr 1774 erworben. Auf dem Anwesen
wurde neben der Viehhaltung auch Ackerbau betrieben.
Vertreter der Familie Vögel traten auch als Gastwirte in Erscheinung. Alle
Gasthäuser im Dorf mit Ausnahme der Krone waren zeitweise im Besitz von
Vertretern der Familie Vögel. Dazu kam noch das Gasthaus im Badhaus und
das Gasthaus Hirschen in Langen.
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Johann Konrad Vögel (*1785)
Foto eines Ölgemäldes, das beim Brand auf dem Hof Buch vernichtet wurde
Der letzte Vertreter der Familie Vögel in Buch war Josef Anton Vögel (*1902,
genannt „Sefantone“). Im Jahr 1965 übergab dieser den Hof an seinen Neffen
Alfons Fink von Bucher. Er war der Bruder meine Frau Oliva. Heute wird der
Hof von Viktoria und Herbert Fink bewirtschaftet.
Zahlreiche Nachkommen der Familie Vögel leben heute in Sulzberg, Bregenz,
Doren, Schwarzenberg, Bludesch und Langen.
Langfassung:
Die Geschichte der Familie Vögel in Sulzberg-Buch vom Stifter Conrad Vögel
(*1580) bis Sefantone Vögel (*1902); Konrad Blank, Sulzberg; April 2020
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Mein Lebenslauf
Ich hatte im Leben viel Glück.
Geboren am 13.3.1931 erlebte ich
eine Jugend mit bescheidener
Lebenshaltung aber ohne größere
Sorgen. Ich war das älteste Kind
meiner Eltern Josef und Katharina
Blank. Auf dem bäuerlichen
Anwesen in Sulzberg-Holderegg
verbrachte ich mit meinen drei
Geschwistern eine unbeschwerte
Kindheit.
Ab 1937 bis 1945 besuchte ich die zweiklassige Volksschule in Sulzberg-
Hermannsberg. Ich gehörte zur glücklichen Generation von Männern, die
keinen Kriegsdienst leisten mussten. Von 1951 bis 1953 genoss ich eine
Ausbildung in der landwirtschaftlichen Fachschule in der Mehrerau in
Bregenz. Das war damals nicht für viele mögliche.
Schon früh wurde ich in Sulzberg mit verschiedenen verantwortungsvollen
Aufgaben betraut. Ich war Rechnungsführer der Sennerei Simlisgschwend,
von 1960 bis 1980 war ich Mitglied der Gemeindevertretung von Sulzberg.
Glück hatte ich auch immer mit meiner eigenen Familie. 1963 heiratete ich
Oliva Fink von Sulzberg Bucher. Uns wurden fünf Kinder geschenkt: Maria,
Thomas, Konrad, Elisabeth und Andreas. Meine Frau Oliva war eine liebevolle
Gattin und besorgte Mutter. Sie hatte trotz der Mehrbelastung am Hof
wegen meiner beruflichen Abwesenheit immer viel Verständnis und
Zuneigung. Alle unsere fünf Kinder genossen eine solide Ausbildung,
gründeten Familien und schenkten mir mit meinen Schwiegerkindern
dreizehn Enkelkinder, auf die ich sehr stolz bin.
1964 wurde ich in den Vorarlberger Landtag gewählt und war dann 24 Jahre
Mitglied der Landesregierung. Meine Zuständigkeitsbereiche waren Land-
und Forstwirtschaft, Wasserbau, Güter- und Seilwegebau, das
Veterinärwesen und später auch der Natur- und Landschaftsschutz.
Von 1975 bis 1988 war ich Obmann des Vorarlberger Bauernbundes und
Mitglied des österreichischen Bauernbundes. Ich war auch lange Jahre
Mitglied des Vorstandes des Vorarlberger Raiffeisenverbandes. Von 1960 bis
1994 war ich Obmann der ÖVP Ortsgruppe Sulzberg. Im Jahr 1994 war ich
Mitbegründer des Seniorenbund Sulzberg, von 1994 bis 2000 Bezirksobmann
des Seniorenbundes. Ich verbinde diese Zeit der politischen Tätigkeit mit sehr
viel positiven Begegnungen und Erfahrungen.
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1988 wurde mir der Berufstitel Ökonomierat verliehen. Von der Gemeinde
Sulzberg wurde ich 1989 mit dem Ehrenring ausgezeichnet.
Neben der Arbeit in der Vorarlberger Landesregierung habe ich auch immer
meinem eigenen Bauernhof in Sulzberg Holderegg geführt. Damit das gelang
war viel Unterstützung notwendig, von meiner Gattin Oliva, meinen Kindern,
meiner Schwester Frieda und vielen anderen Helfern.
Ein schwerer Schicksalsschlag war der plötzliche Tod meiner Gattin Oliva im
Jahr 2005. Er hat mich sehr getroffen. Wir waren 42 Jahre verheiratet.
Nach der Heirat mit meiner zweiten Gattin Ella Giselbrecht im Jahr 2009
verlegte ich meinen Wohnsitz ins Dorf. Mit Ella erlebte ich trotz des hohen
Alters noch eine Reihe von schönen und erlebnisreichen Jahren. Es war ein
weiterer Glücksfall in meinem Leben. Auch Ella ist mir im Jahr 2018 mit ihrem
Tod vorausgegangen.
Ich lebe jetzt im Haus für betreubares Wohnen in Sulzberg und erlebe auch
hier wieder eine glückliche Zeit. Ich werde von meinen Kindern und Enkeln
liebevoll umsorgt und von vielen Hilfskräften sehr gut betreut. Ich habe jetzt
viel Zeit, die ich versuche, positiv zu nutzen.
Konrad Blank Sulzberg, im Februar 2021
Widum 418
konrad.blank31@gmail.com
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Fotos Rückseite (alle aus volare):
Oben: Postkarte Sulzberg, Ulriche Aubert Lauratal Ravensburg ca 1910
Mitte: Postkarte Sulzberg Risch Lau 1956
Unten: Postkarte Sulzberg, Risch Lau 1963
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