TIEFENTHALER
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Vorarlberger Walserwege
Helmut Tiefenthaler
Die
Vorarlberger
Walserwege
ursprüngliche
Erschließung der Hochtäler
Die weite Verbreitung von urgeschichtlichem Fundgut
verrät bereits für die Steinzeit die Begehung der Vorarlber-
Gebirgswelt.1
ger Wo seit Jahrtausenden hauptsächlich Jä-
ger die Hochregionen durchstreiften, suchten mit der Zeit
auch die in den Haupttälern wohnenden Viehhalter nach zu-
sätzlichem Weideland für die Sommermonate. Die Vielzahl
vordeutscher Alpnamen lässt erkennen, dass von den rätoro-
manischen Bauern des Rheintals und Walgaus schon früh et-
liche Gebirgstäler bis in die hintersten Winkel alpwirtschaft-
lich genutzt wurden.
Wo sich die ins Land eingewanderten Walser als Berg-
bauern niederließen, kamen sie vielfach auf alten Viehtrieb-
wegen in Alpgebiete, in denen die Kultivierung für die Rin-
derhaltung seit langem vorgespurt war. Dabei folgten sie
großteils Urpfaden oberhalb der dicht bewaldeten Steilhän-
ge, wo gefährlichen Schluchten und Wildbachtobeln am
leichtesten ausgewichen werden konnte.
In den großteils waldfreien Hochlagen boten sich zudem
viele Möglichkeiten, Verbindungen von Tal zu Tal herzustel-
len. So versteht es sich von selbst, weshalb die Ausweitung der
Walsersiedlungen so oft von oben nach unten erfolgte. Das
zeigt sich besonders bei der vom Laternsertal über Damüls
ins Große Walsertal übergreifenden Dauerbesiedlung wie
auch bei den Zuzugspfaden durch das südliche Tannbergge-
biet ins Kleinwalsertal. Hier wie dort ergaben sich für lange
Zeit pfarrliche, gerichtliche und andere Zusammengehörig-
keiten über Tälergrenzen hinweg, wie sie auch in Walserge-
bieten außerhalb Vorarlbergs nicht selten sind.
Im Unterschied zu den Dorfbewohnern im Rheintal und
Walgau musste man sich sowohl im Alltagsleben wie in den
Außenbeziehungen mit längeren Wegen abfinden. Das Woh-
nen in großflächiger Streulage und die einseitige Abhängig-
keit von der Viehhaltung machten es notwendig, ständig
unterwegs zu sein, sei es zum Viehhüten, Futter- und Holz-
beschaffen in entfernteren Bereichen oder zur Kommunika-
tion untereinander. Die Bergbauern verfügten nicht wie die
Talbevölkerung über eine weitreichende Nahversorgung mit
Brotgetreide, Gemüse, Obst und anderen Waren des tägli-
chen Bedarfs. Während man in den Taldörfern auch die Kir-
che und Schule in nächster Nähe hatte, mussten viele Walser-
familien bei jedem Wetter stundenlange und mitunter nicht
ungefährliche Kirch- und Schulwege auf sich nehmen. Be-
sondere Mühe mit oft tagelangem Unterwegssein er forder-
ten die großen Distanzen zu den Marktorten. Dennoch wa-
ren häufig gerade die am weitesten entfernten Viehzüchter
am allermeisten auf die Viehmärkte angewiesen.
Die „Bergler“ waren es gewohnt, an die Wegverhältnis-
se keine besonderen Ansprüche zu stellen. Wo viele Na-
turgefahren unvermeidbar waren, achtete man aber dar-
auf, wenigstens unnötige Risiken zu vermeiden. So wurden
schon bei den Hofzugängen lieber die Unbequemlichkeiten
MONTFORT, Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs, 63. Jg. 2011, Bd. 1.
steiler Pfade in der Falllinie in Kauf genommen, als besser