Meine SGefellfhaft war mein Bruder Slorian, Slafhner Küng und
Vetter Boß; leßtere zwei von der Seuerwehr. Da gab es Moft, id
hatte eine Slafhe Schnaps bei mir, und obwohl man fhHon die Schuß-
detonationen hörte, war die Stimmung nicht [hlecht. Man fühlte fi
ja fiher. Ih wunderte mich über die allgemeine Ruhe, die da herrfchte
und über die gute Luft; in den Bunkern vor Derdun war die Luft
durdy Gas und Chlorkalt arg verfeucdht. Ein Großteil der Leute lief.
Aber au die Kinder verbhielten id ruhig. Gegen 5 Uhr ging der
Molt zu Ende, was mit allgemeinem Bedauern zur Kenntnis genom-
men wurde. Bald regte jemand an, man follte doch noch einen Moft
holen, und Vetter Boß erklärte id bereit, noch eine Slafche zu ftiften.
Er fragte mich, ob ih die Schneid hätte, mit ihm nad) Haufe ZU
gehen, was id) fofort bejahte. IH ließ leider meinen Rucfak im
Bunker und follte ihn Jamt Inhalt nicht wiederfehen. Kaum aus dem
Bunter, trat die Wirklichkeit an uns heran. Da faufte es überall,
[Hrecklidhe Einfdhläge wurden vernommen, aber es war Fein Slieger
zu fehen, und wir gelangten heil auf die Höhe zu Boß. Hier bot fi
aber [hon ein trauriges Bild. Die EinfhHläge mehrten ih; es bilde=
ten id Ihon Brände. Das war gegen 5.30 Uhr früh. Anfangs faß
id) in der Küche, ging aber bald ins Freie und Jah nun die Wirkung
der BelhHießung. Da packte mid das Elend, daß meine Daterftadt
vernichtet werden Jollte; id) Fonnte es nicht falfen. Es gibt im Leben
Augenblide, in denen die Zeit Mill fteht; fie treten ein, wenn ein
großes, Faum erwartetes GlüE fid erfüllt. Da wird man ficher, be-
finnt Jid) auf fi felbft, wird fill. Und dann gibt es Augenblide, In
weldhen Tage und Wochen fidh verdichten und wir befähigt find, die
Schmerzen von Taufenden zu falen; fie find ein Moment der Weihe;
man wird opferbereit und vergißt ich felbft. Als ih fo daftand und
Bregenz brannte, Jah id fHon den Abend jenes Tages; ich Jah Bre=
genz zerftört. Diefen Gedanken konnte ih nicht ertragen; es fHrie
in mir, daß id alles tun müfe, um das nicht erleben zu müfen. nd
da trat nun, id) weiß nicht wie, ein Erlebnis vor meine Seele: Es
war im Auguft 1919, als id in Bern auf die Einreife nad) Sranfreicdh
wartete. Ich follte damals die MünfdhHe Dorarlbergs auf der Sriedens-
Fonferenz von St. Germain vertreten. Während id) auf den Paffier-
Ihein wartete - id) bekam ihn leider nie! -, rieten mir einige Sreunde,
id möge mid doch nad) Genf begeben, um dort mit Good und Ma-
dam Alffis Sühlung zu nehmen. Good war langjähriger Sefretär
von Wilfon gewefen, Madame Affis hatte die Vertretung Amerikas
beim Roten Kreuz. Don diefen beiden erfuhr ih, daß unfere Sache
fehr zweifelhaft ftehe, weil unfer Dertreter von St. Germain abgereift
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