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später machten die Zuthun gen, nahe Verwandte -der Alemannen, von der
mittleren Donau aus durch Oberösterreich, Salzburg und Kärnten (damals
Norikum genannt), einen Raubzug nach Oberitalien, erlitten jedoch in den
Apenninen und in der Ebene des Po durch Kaiser Aurelian (von 270 an)
schwere Verluste. Kaiser Aurelian trieb die Juthungen über die Donau Zu
rück, kam dann auch nach Rätien, wo die Alemannen eingebrochen waren und
besiegte auch diese (271) 4. Einen dauernden Erfolg errangen die kriegerischen
Alemannen im Jahre 282; da gelang es ihnen, den Römern das ganze
Gebiet von der Donau bis zum Bodensee abzunehmen. Bon dort an war die
nördliche Grenze Rätiens der Bodensee und der Argenfluß. Was westlich der
Iller und nördlich des Argen, Bodensees und Rheines lag, behaupteten die
Alemannen. Das Land östlich der Iller bis Zur Donau blieb noch römisch. Run
war Brigantium in der Nähe des wilden Volkes der Alemannen und in sehr
gefährdeter Lage. In kluger Voraussicht hatten schon etwas vorher die Römer
eine neue Heeresstraße angelegt, welche Brigantium über Sonthofen, Lermoos
und den Fernpaß mit Veldidena (Wilten) und der Brennerstraße verband.
Wenn die Alemannen die Verbindung über Chur mit Italien zerstörten, war
dann noch eine Zweite, weniger gefährdete Straßenlinie vorhanden. Die Ober
stadt (Kastell) in Brigantium bekam von neuem große Bedeutung, und der Be-
sehlsstab der Flottille zur Bewachung des Bodensees erhielt seinen ständigen
Sitz in Bregenz
Zur Sicherung der Straße aus Rätien über Wilten und den Brenner, die
jetzt für Heranziehung von Truppen und Lebensrnitteln aus Italien besonders
wichtig war, wurden zwei große Stationen in T e r i o l i s und Fötibus ange
legt. Ersteres verlegt die Mehrzahl der Forscher nach Zirl (Martinsbühel). Dort
faß eine starke römische Besatzung mit einem Tribunen (Obersten) als Befehls
haber. Zu wenig geklärt ist noch die Lage der Station Fötibus. Jedenfalls
war diese südlich des Brennerpasses, wahrscheinlich in der Nähe von Sterzing,
am Eingänge ins jetzige Pfitscher Tal (der Name Pfitsch von Foetibus) \ Viel
umstritten ist auch die Frage, ob die römische Straße unmittelbar über den
Brennerpaß geführt habe oder über den westlich davon liegenden Höhenzug.
Durch die neueste Auffindung einer zwanzig Meter langen und drei Meter
breiten Strecke einer alten Straße ganz römischer Bauart in der unmittelbaren
Nähe des Brennersees scheint nun der Beweis erbracht, daß die römische Straße
über den Paß selbst führte ü Es ist übrigens möglich, daß anfänglich nach der
Croberung ein römischer Saumweg über den westlichen Höhenzug ging und
erst etwas später die Fahrstraße über den Paß gebaut wurde.
Die Römer hatten die erste Erkenntnis von der Notwendigkeit einer An
schlußstraße über Sonthofen und den Fernpaß nach Zirl und zum Brenner wohl
schon in den Jahren 214 und 222 gewonnen, in welchen die Alemannen erst
mals verwüstend in Rätien eingefallen waren 8. Damals dürfte die römische
Station Ebodurum (Bendern—Schaan) zerstört worden sein, welche in
der Karte des Ptolemäus verzeichnet ist, jedoch in der Peutingerschen Karte
um 230 n. Chr. schon nicht mehr erwähnt wird. Wahrscheinlich um 271 oder
282 zerstörten dann die Alemannen auch die wichtigen Stationen K l u n i a
und M a g i a (Maienfeld), die wohl um 230, aber nicht mehr im Itinerarium
Antonini (320) genannt werden. Dadurch war augenfällig bestätiget, wie sehr
der römische Generalstab das Richtige getroffen, als er vorher für eine Ver
bindung mit der Brennerstraße gesorgt hatte. Diese war viel weniger gefährdet.
Bald nach 282 ließen sich die über eine ganz außerordentliche Volkskraft
verfügenden Alemannen auch in den agri decumates nieder, dem sogenannten