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Bebauung des Heimatlichen Bodens notwendig waren Die Ausgehobenen ka
men in entfernte Gebiete des römischen Reiches. Ein Teil mußte wohl mili-
tärifchen Dienst leisten, ein anderer als Gladiatoren (Fechter auf Leben und
Tod bei Schauspielen) auftreten. Auch als Sklaven konnten sie verwendet wer
den. Es war dieses eine im römischen Kriegsrechte begründete, aber ungemein
grausame Maßregel. Noch unmenschlicher wurde derselbe Gebrauch bei der Be
siegung der oben erwähnten Sa lasser in den savoyischen oder peninischen
Alpen angewendet, wo der ganze Volksstamm, 38.000 Seelen, auf dem Sklaven
markke versteigert wurde66. Daß die in Rätien und Vindelizien verbliebene
Bevölkerung vollständig entwaffnet wurde, kann man gemäß dem Harten römi
schen Kriegsrechte als selbstverständlich annehmen.
Das zwischen dem Kamme der Alpen und dem oberen Laufe der Donau
neu eroberte Land wurde kn eine neue römische Provinz umgewandelt und
erhielt den Namen Raetia^'. Als Provinz des römischen Reiches hatte
Rükien einen größeren Umfang gegenüber dem früheren freien Räkien. Es ist
daher zum besseren Verständnisse der nun folgenden römischen Herrschaft not
wendig, die Grenzen der Provinz Rätien, so weit als möglich, fest
zustellen. Am genauesten wissen wir die Grenze des neuen Rätien gegen
Norden. Den Römern war hier gegen die herandrängenden germanischen
oder deutschen Völker die Donau eine willkommene natürliche Grenze. Zwar
bot dieser Fluß in seinem oberen Laufe nicht einen so starken Schutz für den
römischen Besitz, wie im mittleren und besonders im unteren Laufe. Aber durch
Befestigung des rechten Ufers und eine Reihe militärischer Stationen war es
möglich, einem feindlichen Ueberschreiten des Flusses bedeutende Schwierig
keiten entgegenzusetzen. Die jenseits drohenden Stämme waren ja in der Ueber
windung solcher Hindernisse noch wenig geübt. So wurde die Donau von ihrem
Ursprünge bis zur Einmündung des Innflusies als nördliche Grenze der Pro
vinz Rätien bestimmt 68. Schwieriger ist es, die Grenze Rätiens gegen Osten
anzugeben. Sicher ist, daß hier die Grenze zwischen Rätien und der Provinz
Norikum zunächst dem Laufe des Flusses Inn folgte^. Von der Einmündung
in die Donau ab trennte der Inn Rätien und Norikum bis dorthin, wo der
Fluß Ziller in den Inn sich ergießt. Durch das Zillertal folgte die Grenze dem
Ziller wenigstens bis zur jetzigen Ortschaft Mayrhofen. Weiterhin gehen die
Meinungen auseinander. Der verdiente rätifche Forscher Dr. P. C. Planta läßt
von Mayrhofen weg die Grenze noch weiter dem Flusse Ziller folgen bis zu
seiner Quelle am hl. Geistjöchl ober Prettau, dann über den Bergkamm zum
Krimmler Tauern gehen und wieder über den Kamm zwischen Deferegger- und
Ahrental, ferner zwischen Villgrattener und Gsießer Tal zur Wasserscheide
zwischen Drau und Rienz bei Toblach 70. Von Toblach verlief nach Dr. Planta
die östliche Grenze Rätiens durch das HöHlensteiner Tal (Höhlenstein ist die
Übersetzung des italienischen L a n d r o), dann über die Gebirgsgruppen der
Tofana und Sella zum Avisio.
Neuere Forscher, Dr. Töchterle und P. Tschurtschenthaler in der Zeitschrift
„Schiern", treten dafür ein, daß die rätische Ostgrenze von Mayrhofen im Ziller
tale südwärts zum Bergkamme ging, der das Ahrental auf der westlichen Seite
bis Taufers-Mühlwald begleitet. Von Mühlwald an wäre dann die Grenze
übers Gebirge verlaufen und südwärts dem Gripbache entlang bis zu seiner
Einmündung in die Rienz zwischen Kiens und St. Siegmund. Von dort sei
^die Grenzlinie über die Dorfschaften Ellen und Onach ins Gadertal und über
Korvürn und Arabba zum Avisio gegangen 71.