Ein bayerischer König auf Bildungsreisen
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Das aufstrebende gebildete Bürgertum ma chte im 19. Jahrhundert auch der herr-
schenden Aristokratie bewusst, dass sie ihr Mehr-Macht-Haben am ehesten mit
Mehr-Wissen-Haben behaupten kann. Dies erkannten allerdings nur wenige
Monarchen so deutlich wie der von 1848 bis 1864 regierende König Maximilian
II. von Bayern. Der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl sagte von ihm: „König
Maximilian II. von Bayern hatte in seinem ganzen Wesen wenig Leidenschaft -
liches, aber eine Leidenschaft erfüllte ihn, welche bei Fürsten selten sein mag:
lernen“.2
– die Leidenschaft zu
In seiner Jugend hatte er die Cha nce für ein paar Semester Universitätsstudium
in Göttingen und Berlin, bei dem sein Interesse für Geschichte und Volkskunde
geweckt worden war. Wenn er es sich hätte aussuchen können, hätte er sich
damals überhaupt lieber auf den Beruf eines Professors als auf den eines
vorbereitet.2
Staatsoberhauptes Als er im Revolutionsjahr 1848 nach dem
Regierungsverzicht seines Vaters Ludwig I. mit 36 Jahren den Thron besteigen
musste, lag ihm viel daran, die Wiederholung eines Revolutionsdesasters zu ver-
meiden. Um aber den schwieriger gewordenen neuen Anforderungen gerecht zu
werden, umgab er sich mit einem Kreis qualifizierter Berater. Dazu holte er sich
führende Natur- und Geisteswissenschafter nach München. Er tat dies zugleich
zur geistig-kulturellen Profilierung des Landes, denn nach den Worten des
Historikers und seines Lehrers Leopold von Ranke wollte er „seine Bayern nicht
Deutschen“.3
zurückbleiben“ lassen „hinter den andern Es lag ihm ohnehin viel
daran, zwischen den tonangebenden Nachbarn Preußen und Österreich mehr
zeitgemäße bayerische Eigenständigkeit und Selbstachtung zu gewinnen.
In auffälligem Lerneifer hatte Max – so der in Bayern vielfach gebräuchliche
Name – schon als Kronprinz jede Gelegenheit für Bildungsreisen genutzt. Diese
führten ihn durch Deutschland und Österreich-Ungarn, wiederholt nach Italien
und Griechenland, 1834 auch nach Konstantinopel. Ebenso besuchte er
Frankreich, die Niederlande, Belgien und England. Dabei wollte er nebenbei seine
Sprachenkenntnisse in Englisch, Italienisch und Neugriechisch vertiefen.
Die ersten Reisen als König unternahm er im Sommer 1849 nach Franken, in die
Oberpfalz, nach Niederbayern und Schwaben. In den folgenden Jahren kam er
mehrmals zum Bodensee. Im Oktober 1850 nahm er zusammen mit Kaiser Franz
Josef I. und König Wilhelm I. von Württemberg an der Monarchen-Zusammen -
teil.4
kunft in Bregenz Lindau besuchte er im Juli 1854 nach der Fertigstellung
Hafenneubaus.5
des neuen Bahnhofs sowie im Oktober 1856 zur Einweihung des
1
Riehl 1891, 241.
2
Schrott 1966, 196.
3
Hanisch 1991, 64.
4
Stroh 1929, 198-205.
5
Dobras 1983, 129-135.