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Full text: Vorum 1997 - 2015 (1997 - 2015)

Macht man einen Spaziergang 
durch eine beliebige Häuser- 
siedlung, so wird man zahllose 
Beispiele für grandiose Ver- 
schwendungen finden. 
Es beginnt bereits damit, dass 
solche Agglomerate eine 
Verschwendung verfügbarer 
Landschaft wie öffentlicher 
Mittel (Straßenerhaltung, 
Schneeräumung, Kanalisation 
und so weiter) sind. Diese Art 
der Verschwendung setzt sich in 
den einzelnen Objekten fort, in 
totem Raum, in unnützem 
Zierrat und modischem Beiwerk. 
Zumeist werden solche Häuser 
für Familien geplant. Später zie- 
hen die Kinder aus und die 
Häuser werden nur noch von ein 
oder zwei Personen bewohnt. 
Wer immer ein Einfamilienhaus 
errichtet, ist davon überzeugt, 
dass sein Gebäude sehr schön 
ist, sich von allen anderen abhe- 
ben soll und die Zeit überdauern 
wird. Tatsächlich wirken die 
meisten dieser Bauwerke bereits 
nach wenigen Jahren als habe 
man es mit abgetragenen Kleidern zu tun. 
Nicht zufällig sind im Hausbau gerade die 
Repräsentationsflächen von Bedeutung. Ob 
Tapeten, blumengeschmückte Fenster oder 
Balkone, Malereien an der Hauswand, das 
eigene Heim wird durch die Augen anderer 
betrachtet. Ist das Neue zur Gewohnheit 
geworden, so ist es schnell entzaubert und dem 
Überholten zugeordnet. Der offene Kamin, ein- 
mal selbstverständlich geworden, eignet sich 
nicht länger dazu, sich von den anderen abzu- 
heben. Bauherren sind darum bemüht, ihrem 
Haus eine „persönliche Note“ zu verleihen, 
sich mit Hilfe seiner Gestaltung abzugrenzen, 
das Haus buchstäblich „umzuschmacken“. 
Dies ist Ausdruck einer Gesellschaft, in der 
sich jeder behaupten, letztlich selbst erfinden 
muss. Die „persönliche Note“ macht die Not 
zur Tugend, kaschiert das Unverstandene als 
produktive Leistung. Paradoxerweise hat das 
Bemühen um Eigenart das Gegenteil zur Folge. 
Alexander Mitscherlichschrieb angesichts der 
Rundbögen, vorgekragten Blumenfenster, 
mosaikumrandeten Entrees und schmiedeeiser- 
nen Künstlichkeit: „Dem Bauherrn sei es 
gestattet, seine Wunschträume mit seiner 
Identität zu verwechseln.“ 
Funktionalität allein macht ein 
Bauwerk noch lange nicht zu 
einem schönen Objekt 
Denke ich an funktionale Architektur, dann 
fallen mir Schweinemast-, Fremdenverkehrs- 
und Industriebetriebe ein. Hier wird auf all 
das verzichtet, was nicht dem eigentlichen 
Zweck dient. Bei großen Fremdenverkehrs- 
betrieben lohnt es sich in den Keller zu gehen 
und die Versorgungsleitungen zu betrachten, 
mit denen etwa Gaststuben mit Getränken ver- 
sorgt werden. Spätestens hier gibt es keinen 
Zweifel mehr, dass wir es trotz aller Ober- 
flächengestaltung mit höchst funktionalen 
Gebäuden zu tun haben, dass „Gäste“ weniger 
bewirtet als bewirtschaftet werden. Zweifellos 
sind solche Bauten höchst funktional, eben auf 
das reduziert, was den Planern als dienlich 
oder gerade noch notwendig erschien. Das 
bedeutet noch lange nicht, dass sie auch den 
Menschen gerecht werden, die darin arbeiten 
oder wohnen. Ein gelungenes funktionales 
Wohnobjekt muss Bedürfnisse weiter fassen. 
Ein funktionales Gebäude kann erst dann ein 
schönes Gebäude sein, wenn es unterschiedli- 
chen Bedürfnissen gerecht wird, Teil und 
Ausdruck eines sozialen Gefüges ist. 
Wohnraum soll den finanziellen 
Möglichkeiten und den persön- 
lichen Bedürfnissen entsprechen 
Es fehlt nicht an Versuchen, Wohnobjekte 
erschwinglicher zu machen, tatsächlichen 
Bedürfnissen wie Einkommensverhältnissen 
entsprechend zu planen. Wer heute ein Wohn- 
objekt kauft oder für sich errichtet, arbeitet in 
der Regel ein halbes Leben dafür. Dies müsste 
so nicht sein. Freilich müsste man Wohnen 
anders denken, bedürfte es anderer gesetzlicher 
Regulative. Warum sollte man Wohnobjekte 
nicht als das begreifen, was sie sind, nämlich 
temporäre Objekte? Wo immer wir es mit dem 
Wunsch zu tun haben, sich ein Haus zu bauen, 
da haben wir es auch mit Irrationalem zu tun. 
Man müsste sich genauer mit dem „Nesten“ 
befassen, welches weit über das Bedürfnis hin- 
ausgeht, nur ein Dach über dem Kopf zu 
haben, einen sicheren Ort. „Nesten“, dieses 
Verhalten verbindet den Menschen mit Kühen, 
Mäusen oder Vögeln. Vielleicht müsste man 
Baukommissionen zu „Unterausschüssen des 
Nestverhaltens“ umbenennen. Im Althoch- 
deutschen meinte bauen („buam“) so viel wie 
wohnen. Heute verstehen wir unter dem Bauen 
nur noch so viel wie das Errichten von Bau- 
werken. Von der ursprünglichen Bedeutung des 
Begriffs sind wir abgekommen. Tiere tragen 
ihre Rangkämpfe mit ihrem Körper aus. Der 
Mensch tut dies mit Hilfe seiner dinglichen 
Ausstattung, dazu zählt auch die Architektur, 
ihre Möblierung und Ornamentierung. 
Bernhard Kathan, Kulturhistoriker, 
Schriftsteller, Künstler. 
Lebt und arbeitet in Innsbruck und Fraxern 
www.hiddenmuseum.net 
Mein persönlicher Wohntraum: „Ein ausschließlich 
von meiner Hand erbautes Gebäude, voll- 
kommen auf das Notwendigste reduziert.“ 
Meine Wohnrealität:   „Ich lebe in einer großen 
Gründerzeit-Wohnung in der Stadt und 
temporär in meinem selbst erbauten 
Objekt in den Bergen.“ Bernhard Kathan 
Bernhard Kathan 
DER 
KRITISCHE 
BLICK 
Foto: 
Karin 
Luger 
Der Architekt Angelo Roventa hat sich intensiv mit 
funktionalen Wohnobjekten beschäftigt. Als ein 
Beispiel sei ein von ihm in Hohenems realisiertes 
Wohnhaus aus Industriecontainern genannt. In 
seinem Projekt smart_ LIVINGUNIT geht er einen 
Schritt weiter, verspricht dieses doch eine 
Multiplikation der Nutzfläche. 
Dank eines variablen Modulsystems, dessen 
Elemente sich von Hand oder maschinenbetrie- 
ben verschieben lassen, lässt sich ein und der- 
selbe Raum wie die Bühne in einem Theater in 
kürzester Zeit umgruppieren und die Nutz- 
fläche bis auf das Vierfache vergrößern. Da es 
im Gegensatz zum Theater keine Räume hin- 
ter, über oder unter der Bühne gibt, ist von der 
Nutzfläche jeweils jener Raum abzuziehen, den 
die komprimierten, aber nicht verwendeten 
Module benötigen. Das modulare Möbelsystem 
gewährleistet aufgrund verschiedener Raum- 
arrangements sämtliche Funktionenmit dem 
Komfort einer herkömmlichen Wohneinheit. 
Die Funktionen können innerhalb der Wohn- 
einheit simultan oder der Reihe nach aktiviert 
werden. 
Optimale Raumnutzung bei 
geringstmöglichen Kosten 
Zweifellos erfordert smart_LIVINGUNIT eine 
gewisse Disziplin, soll das System optimal ge- 
nutzt werden. Auf jeden Fall würde Wohnen 
tendenziell zu Arbeit. So wäre die Person, die 
in einer smart_ LIVINGUNIT wohnt, ständig 
angehalten, den Raum anlassgerecht umzu- 
strukturieren. 
Ein höchst zeitgemäßes Projekt 
Während die meisten Architekten davon leben, 
unverwechselbare Unikate zu schaffen, arbeitet 
Angelo Roventa an einem bestmöglich durch- 
dachten und multiplizierbaren Objekt bzw. 
Wohnprodukt, welches für den Nutzer nicht 
allein finanzierbar sein, sondern ein breites 
Spektrum an Gestaltung ermöglichen soll. Ob 
smart_ LIVINGUNIT zu einer Art „tätigem 
Wohnen“ führenwird, wird weniger von den 
Intentionen des Architekten als vom jeweiligen 
Nutzer wie vom gesellschaftlichen Umfeld 
abhängen, in dem sich dieser bewegt. 
Bernhard Kathan 
... zu funktionellen Wohnobjekten 
INNOVATIVES 
WOHNEN 
Elastisches Wohnen in der Wohnmaschine 
Mein persönlicher Wohntraum: 
 „Die 
raum- 
bildenden Elemente (Bausteine) meines 
Wohntraums sind die Menschen, die ich 
liebe, architektonische und andere 
Aspekte spielen eine untergeordnete 
Rolle.“ 
Meine Wohnrealität:   
„Meinem Traum 
entsprechend.“ 
Angelo-Silviu Roventa 
Dornbirn und Wien, 
roventa@aon.at 
5 
„Ich betrachte den gegenständlichen Prototyp als 
didaktisches Modell und plane demnächst konkrete 
Gespräche in Richtung Kooperation mit interessier- 
ten Vorarlberger Unternehmen. So hätte die 
smart_LIVINGUNIT das Potential, ein seriell gefer- 
tigtes, lokales Produkt mit globaler Beachtung zu 
werden.“  Angelo-Silviu Roventa 
„Mit smart_LIVINGUNIT möchte ich eine zeitge- 
nössische Antwort auf die Probleme zum Thema 
Wohnen, Leistbarkeit, Energieeffizienz und 
Nachhaltigkeit geben. Mein Lösungsvorschlag stellt 
endlich den Nutzer ins Zentrum des Projektes.“ 
Angelo-Silviu Roventa 
Foto: 
Heiko Moosbrugger 
Foto: 
Karin 
Luger 
Von der Verschwendung ... 
Foto: 
Bertolini 
LDT 
4 
Prototyp und 1:1-Modell der 
smart_LINVINGUNIT bei der Ausstellung 
„Wohnmodelle weltweit“ im vai Dornbirn.
	        
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