vorum: Gabesbei denErgebnissen
altersbedingteUnterschiede?
Hunziker: Ja, jüngereGästereagierenauf
Veränderungensensibler. Wir rechnendamit,
dass sichdieAblehnungdes Ausbaus touri-
stischer Infrastruktur künftignochverstärkt.
vorum: Ihr Fazit?
Hunziker: DieErhaltungder landschaftlichen
Schönheit ist für Tourismusregionennicht
nur eineethischeVerpflichtung, sondern
mittelfristigaucheineökonomischeNotwen-
digkeit. Dies insbesonderedeshalb, weil land-
schaftssensibleGästetatsächlichstarkbeein-
trächtigteGebietemeiden, wieunsereErgeb-
nissezeigten. Das bedeutet, esmüssenplane-
rischeMittel ergriffenwerden, damit dieEnt-
wicklungenvonauthentischentraditionellen
KulturlandschaftenhinzureinenTourismus-
destinationenohnelokaleEigenart verhin-
dert werden.
vorum: Daswirdaber nicht einfach
sein, oder?
Hunziker: Nein. Dennes gibt bei der Land-
schaftsentwicklungimAlpenraumeinestarke
Fremdbestimmung. DieBewohner des Alpen-
raums sehensichvorwiegendmit Touristen
konfrontiert, welchedieErhaltungeines tra-
ditionellenLandschaftsbildes wünschenund
gleichzeitigdas Vorhandenseineiner zeit-
gemäßentouristischenInfrastruktur voraus-
setzen.
Dr. Marcel Hunziker ist Gruppenleiter
ander EidgenössischenForschungsanstalt
für Wald, SchneeundLandschaft WSL.
SeinSchwerpunktgebiet ist diesozialwissen-
schaftlicheLandschaftsforschung.
E-Mail: marcel.hunziker@wsl.ch
EineFallstudiedesSchweizer
SozialwissenschaftersMarcel
Hunziker hat gezeigt, dassdie
Erhaltungder landschaftlichen
Schönheit für eineTourismus-
regionnicht nur eineethische
Verpflichtung, sondernmittel-
fristigaucheineökonomische
Notwendigkeit darstellt. ImInterviewerklärt
Hunziker diewichtigstenErgebnisse.
vorum: ErzählenSieunsetwasüber Ihre
Fallstudie?
Hunziker: Wir habenineiner mündlicheBefragung
zufälligausgewähltenGästenGrindelwalds Fotos
vorgelegt unddazubefragt. Anhanddieser Bilder
habenwir diebaulicheEntwicklungvonStreu-
siedlungen, StraßenundtouristischenTrans-
portanlagenversucht darzustellen.
vorum: Waswarendieauffälligsten
Ergebnissen?
Hunziker: TourismusbedingteLandschaftsverände-
rungenwerdengenerell als ästhetischer Verlust
empfunden. Auf Veränderungen, diedurchden
BauvonSkiliftenundBahnenausgelöst werden,
reagiertendieBefragtensogar unabhängigvom
Ausmaßdes Eingriffs sehr sensibel.
Dr. Marcel Hunziker
Foto:WSL
Foto:UrsOskarKeller
Tut mir leid, sanfter Tourismuserinnert michanalkoholfrei-
esBier undKäsknöpflelight. Wasaber dann?
BrachialtourismusumjedenPreiskann’sjaauchnicht sein.
Ichwünschemir ganzeinfachMenschen, für derenReise-
lust esverführerischeReisezielegibt, dienachgenussrei-
cher BefriedigungausreichendHunger für dasnächsteMal
übriglassen. Ineiner solchenBeziehunghat ungestümes
BegehrengenausoPlatzwiebehutsameZuneigung,
unverschämteNeugier wiekundigesInteresse. Dasbleibt
nicht ohneFolgen: GästeundGastgeber wirkenaufeinan-
der ein, WünscheundErwartungenprägendasAngebot,
dieNutzanwendungder Landschaft fordert entsprechende
Strukturen. Wer deneigenenLebensraumunddamit auch
einwenigsichselbst zuMarkteträgt, lässt Nähe, Berüh-
rungundVeränderungzu. Wer GeldineineReiseinvestiert,
möchteetwasdafür bekommen.
Esliegt natürlichnahe, dasssichbeideSeitendieser käuf-
lichenBegegnungmit berechnendemFrohsinnundunver-
bindlicher Zuwendungentledigen. AmEndehabenalle
irgendwiebekommen, wassiewollten. Mit Event-Tourismus
funktioniert dastadellos: DieGästehabenihrenSpaßund
dieGastgeber habenihreSchuldigkeit getan. Findet das
allesauchnochvor einer attraktivenLandschaftskulisse
statt, braust der Applausundstimmt dieKassa.
Aber dasinszenierte, massentauglicheReiseerlebnisfolgt
erprobtenMechanismen, ist daher nicht beliebigvariierbar
undbedingt aucheinenormgerechteMöblierungundEr-
schließungder Landschaft. Außerdemwerdender Lebens-
raumundseineMenschenzur Staffage–sindalsoaus-
tauschbar. Zieht dieKarawanedanneinesTagesweiter,
machensichinder nunmehr ausder Modegekommenen
RegionLeereundOrientierungslosigkeit breit. Zudemver-
wischt bunteundlauteBeliebigkeit GrenzenundUnter-
schiede. Imzunehmendhärter werdendenVerdrängungs-
wettbewerbder Inszenierer werdenalsojenegewinnen,
diebereit sind, umjedenPreisTrendszunutzenoder zu
schaffen, umtrendypeopleanzulocken–unddieGewinner
werdenschwächereGewinner vomPlatzverweisen.
Angesichtsdieser mörderischenEinödewerdensichaber
jenefreuendürfen, dieanbietenohnesichpreiszugeben,
dieeinladenohnezuvereinnahmen, diegastfreundlich
sind, aber nicht gastkäuflich. Vielfalt, dieeinfachdaist, in
der Landschaft, indenMenschen, braucht keineInsze-
nierung, aber siesolltesichjenen, diefremdsind, doch
nicht fremdbleibenwollen, einladend, anregendund
freundlichpräsentieren, aufregendnatürlichauch, faszinie-
rendundherausfordernd. Wer sichGästeinsLandholt,
musssichauf Gästeeinstellenundwirdgut darantun,
dabei authentischzubleiben. Dasist einAbenteuer, ein
ganzundgarnicht sanftes. AberamEndekönntenalle
gewinnen.
AlfredKomarekist einösterreichischer Schriftsteller.
Er lebt alsfreier Autor inWien, BadAusseeund
Niederösterreich.
DasEnde
der
Sanftmut
AlfredKomarek
WenndieÄsthetik
verlorengeht, geht
der Gast
Foto:JanosKalmar
Was„authentisch“ist -oderumgangssprach-
lich, was„passt“-hängt immervomjeweili-
genBetrachterundseinenkulturellen
NormenundWertenab. Interessanterweise
kanninunsererheutigenGesellschaft eine
starkeSuchenachauthentischenDingen
einerseitsundeinemauthentischenLeben
andererseitsbeobachtet werden.
AuthentischeDingezeichnensichfürden
Betrachterdadurchaus, dasssiepassen,
indemihreErscheinungnicht trügerischist.
EinauthentischesLebenist hingegeneines,
daszureigenenPersonpasst, weil siesich
selbertreubleibt indem, wassietut.
AUTHENTISCH 8