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Full text: Vorum 1997 - 2015 (1997 - 2015)

irgendwo auf dem Herstellungsweg unserer 
Lebensmittel und Konsumgüter verwendet wor- 
den ist. Nicht als direkter Verbrauch, sondern 
über die gesamte Produktionskette hinweg. 
Wenn wir zum Beispiel im Supermarkt Kartoffeln 
aus Ägypten kaufen, womöglich noch in ökolo- 
gisch korrekter Bio-Qualität, die pro Kilo glatt 
140 Liter Wasser benötigen und das in einem 
Land, das unter massiver Wasserarmut leidet. 
Viel wüster treibt es allerdings das Steak, zu dem 
die Kartöffelchen die Beilage bilden. Sage und 
schreibe 16.000 Liter Wasser vertilgt ein Kilo 
Rindfleisch im weltweiten Durchschnitt, bis es 
auf unserem Teller landet. 
Aber auch andere Produkte haben es in sich: ein 
Blatt Papier: zehn Liter, ein Mikrochip: 30 Liter. 
Großen Durst hat auch die Baumwolle: Ein 
T-Shirt verschluckt schon einmal 2.000 Liter, eine 
Jeans glatte 6.000 Liter. Unser aller Liebkind, das 
Auto, hat schon bevor wir es in Betrieb nehmen 
30.000 – 300.000 Liter Wasser verbraucht, pro 
Stück, je nach Größe! Ja, selbst ein Maß Bier 
„säuft“ bei der Herstellung 300 Liter. 
Und das Wasser selber? In einem Liter abgefüll- 
tem Wasser stecken ¼ Liter Erdöl und 0,1 kg 
CO2 
und, man stelle sich vor, drei Liter ganz 
normales Wasser. Eine sonderbare Welt, nicht 
wahr, in der man ganz normales Wasser unter 
Verbrauchder dreifachen Menge seiner selbst 
in Flaschen abfüllt und verkauft. 
Über all das können wir nachdenken, wenn 
es uns wieder einmal zu viel regnet hier im 
wasserreichen Ländle. 
Wasser ist allgegenwärtig. Wasser ist Leben. 
Nur wir Menschen, die es so dringend brauchen, 
behandeln es oft ausgesprochen schäbig. Aber 
doch nicht in Vorarlberg, oder? 
Die Wasser-Rahmenrichtlinie der EU vom 
23. Okt ober 2000 hält gleich im ersten Satz fest: 
„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern 
ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und 
entsprechend behandelt werden muss.“ Das 
klingt gut. Tatsache ist hingegen, dass Wasser 
weltweit gehandelt, bedroht, angegriffen und ent- 
sprechend schlecht behandelt wird. 
Auch unsere Bäche und Flüsse wurden viele Jahre 
lang vergewaltigt, verrohrt, kanalisiert, begradigt, 
gestaut. Wehren sie sich dagegen? Sprechen die 
Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre 
nicht eine deutliche Sprache? So einfach ist es 
wohl nicht. Trotzdem: ein bisschen nachdenken 
sollten wir schon. Darüber, wie wir mit der 
Natur, mit und von der wir leben, umgehen. 
Wasserscheichtum Vorarlberg 
In Vorarlberg schaut es eigentlich ganz gut aus: 
1.900 mm Niederschlag pro Jahr. Dreimal so viel 
wie in Paris, weit mehr als doppelt so viel wie im 
angeblich dauerverregneten London, zwanzigmal 
so viel wie in der Sahelzone. So gesehen ist 
Vorarlberg ein richtiges Wasserscheichtum. Die 
Wasserqualität kann durchwegs als gut bis sehr 
gut gelten. Wir können bedenkenlos den Hahn 
aufdrehen und das daraus sprudelnde Nass ge - 
nießen. Auch aus fast allen Bächen und Seen im 
Land könnte man, ohne irgendwelche Schäden 
befürchten zu müssen, direkt trinken. So wie jene 
vier Millionen Deutsche, die das Wasser aus dem 
Bodensee nahezu unbehandelt, weil so sauber, 
aus ihren Leitungen zapfen. 
Etwa fünf Milliarden Kubikmeter Wasser fallen 
jährlich als Regen oder Schnee auf unser Ländle. 
Der Bodensee speichert gar das Zehnfache des 
jährlichen Niederschlags, also 50 Milliarden 
Kubik meter. Damit käme jeder Landesbürger sage 
und schreibe eine Milliarde Jahre aus. Denn jeder 
von uns benötigt täglich rund 140 Liter Wasser, 
also etwa 50.000 Liter oder 50 Kubikmeter im 
Jahr. Sämtliche Haushalte zusammen, die gesamte 
Industrie und noch die Landwirtschaft dazu ver - 
brauchen gerade einmal ein Zehntel des Nieder - 
schlags, der uns jährlich beglückt. Oder auch 
nicht – es gibt ja Leute, die darüber jammern, 
dass es bei uns zu viel regnet. 
Wieso sollen wir uns also darum kümmern, ob 
mit einer Klospülung zwei, sechs oder zehn Liter 
Wasser den Bach runtergehen. Wird ohnehin aufs 
Allerfeinste geklärt in der Kläranlage und wieder 
in den ewigen Kreislauf zurückgeführt. 
Zügelloser virtueller Wasser - 
verbrauch 
Also alles im Lot und mit allen Wassern gewa- 
schen? Leider nein. Weil wir das Unheil anderswo 
anrichten – mit unserem Lebensstil, unserem 
Konsumverhalten. In Ländern und Regionen, 
die für die dort lebenden Menschen bei weitem 
nicht genügend Wasser besitzen, schon gar nicht 
sau beres. Und das wenige, das vorhanden ist, 
verbraucht wer? Wir! Wir? Ja – wir! 
Wir reden hier vom virtuellen Wasser. Von jenem 
Wasser, das nicht sichtbar und spürbar ist, aber 
Willi Sieber, 
Österreichisches Ökolo- 
gie-Institut Bregenz, 
www.ecology.at 
DI Thomas Blank, 
Wasserwirtschaft, 
Land Vorarlberg, 
www.voarlberg.at/ 
wasserwirtschaft 
1 Kilo Äpfel: 
700 Liter 
1 Kilo Zucker: 
1500 Liter 
1 Kilo Reis: 
3400 Liter 
1 Kilo Rindfleisch: 
16.000 Liter 
Gäbe es einen solchen 
Tropfen in der Realität, 
wäre er rund fünf Meter 
hoch und drei Meter breit 
1 Liter Bier: 
300 Liter 
Ohne Wasser geht gar nichts 
Gewässer sind 
Lebensadern 
Gedanken über unseren Umgang mit dem kostbaren Nass 
2 
Die künstliche Bewässerung für die Exportlandwirtschaft geht in trockenen Regionen oft zu Lasten der ortsansässigen Bevölkerung und der Natur. 
Foto: 
iStockphoto/Phil 
Augustavo 
Foto: 
iStockphoto/Donald 
Bowers 
Fischerei sind dann aufgefordert, die öffentlichen 
Interessen zu vertreten. Es ist natürlich wesentlich 
wirksamer, wenn diese Interessen personifiziert 
sind und ein Bürgermeister erkennt, dass es eine 
Bevölkerungsgruppe oder Einzelpersonen gibt, 
die in diese Richtung hinarbeiten. 
vorum: Welche Beispiele fallen Ihnen dazu ein? 
Thomas Blank:  Die Renaturierung des Klaus - 
bachs ist ein solches Beispiel. Wesentlich war hier, 
dass eine Person aus der Gemeindevertretung 
von Anfang an offensiv daran gearbeitet hat. 
In Koblach haben wir einen Bürgermeister, der 
Projekte zur Gewässerrenaturierung tatkräftig 
unterstützt. 
vorum: Was halten Sie von Bestrebungen, die der 
Bevölkerung bewusst Flüsse und Uferlandschaften 
als Erholungsraum nahebringen, wie beispiels - 
weisedie Initiative rund um den Unterlauf der 
Bregenzer ach mit dem Namen Fünf Gemeinden – 
ein Fluss? 
Thomas Blank:  Die Aspekte Naherholung 
und Freizeitgestaltung am Wasser sind für uns 
im Zusammenhang mit Baumaßnahmen an 
Gewässern sehr wichtig. Dies betrifft nicht nur 
Renaturierungen, sondern auch Hochwasser - 
schutzprojekte. Unsere Intention, mehr Raum für 
Gewässer zu haben, nützt auch den Menschen. 
Unsere Bäche und Flüsse sind Lebensadern in 
einer oftmals dicht besiedelten Landschaft und 
haben dadurch eine große Bedeutung als 
Naherholungsraum. 
vorum: Das Land Vorarlberg investiert in die 
Planung und den Bau von Spielräumen – wären 
Fluss landschaften nicht die günstigeren und 
vielleicht auch die besseren Plätze zum Spielen? 
Thomas Blank:  In der Vergangenheit ging der 
Trend sicherlich zu Gerätespielplätzen und zu 
Spielplatzghettos in den Siedlungen. Dazu müssen 
wir jedoch auch klar sagen, dass in der Ver - 
gangen heit die Zugänglichkeiten zu den Gewäs - 
sern durch Verbauungen und stark abfallenden 
Böschungen vielfach einfach nicht gegeben waren. 
Heute ist ein Gegentrend zu erkennen und 
Gemeinden werden vom Land bei der Planung 
und Umsetzung von Freiräumen zum Spielen 
wirksam unterstützt. Hier schließt sich der Kreis 
zu unserer wasserwirtschaftlichen Zielsetzung, 
durch mehr Raum für den Hochwasserschutz 
gleichzeitig mehr Raum für Mensch und Natur 
an den Gewässern zu gewährleisten. Sie sehen 
hier sehr schön, dass wir uns auf der Maß - 
nahmenebene von unterschiedlichen Seiten und 
Motivationen her auf ein gemeinsames Ziel hin- 
bewegen. 
vorum: Besten Dank für das Gespräch! 
Ein Interview mit DI Thomas Blank, Leiter der 
Abteilung Wasserwirtschaft beim Amt der 
Vorarlberger Landesregierung, über Bewusst - 
seinswandel und Synergieeffekte des Hoch wasser - 
schutzes. 
vorum: Herr Blank, mit welchen Maßnahmen sen- 
sibilisiert die Abteilung Wasserwirtschaft die 
Bevölkerung für wasserwirtschaftliche Themen? 
Thomas Blank: Als Verwaltungseinrichtung kön- 
nen wir viele Dinge auf den ersten Blick kaum 
beeinflussen. Nichtsdestotrotz ist für uns der Weg 
in die Schulen ein wichtiger Anknüpfungspunkt. 
Hier wird ein zentraler Grundstein für die 
Bewusstseinsbildung gelegt, beispielsweise über 
den Sinn der Gewässerrenaturierung. 
vorum: Wie schaut das Programm aus, das Sie 
Schulklassen anbieten? 
Thomas Blank:  Unser Erlebnisprogramm für 
Schul klassen am Fluss reicht vom Bau eines 
Schiffs aus den Materialien vor Ort bis zu Land- 
Art-Projekten, bei denen Schülerinnen und 
Schüler Skulpturen aus Stein, Sand und Holz 
bauen. All diese Aktivitäten unterstützen uns 
dabei, die Gewässer gesellschaftspolitisch wieder 
mehr ins Zentrum zu rücken. Nehmen wir hier 
als Beispiel den Rhein: Hier kann man kilometer- 
lang dem Rhein entlang fahren und sieht das 
Gewässer nicht. Es gibt auch noch andere Bei - 
spiele im Land wo man hinter dem Damm fährt 
und das Gewässer nicht sieht und das Ufer erst 
recht nicht zugänglich ist. Das war jahrzehntelang 
kein Thema – man hat das Wasser, den Bach weg- 
gesperrt. Heute wacht das Interesse dafür wieder 
auf. 
vorum: Insbesondere bei gewässerökologischen 
Projekten trifft man ja häufig auf die Aussage 
„Nur für ein paar Fische betreiben wir diesen 
finanziellen Aufwand nicht ...“ 
Thomas Blank: Ja, es ist Fakt, dass häufig so argu- 
mentiert wird. Wir von der Wasserwirtschaft, die 
Sachverständigen vom Umweltinstitut oder der 
Natürliche Gewässer sind für Spiel und Erholung bestens geeignet. 
So viel „virtuelles Wasser“ braucht es für 
die Herstellung dieser Produkte: 
Quelle: www.beobachter.ch
	        
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