irgendwo auf dem Herstellungsweg unserer
Lebensmittel und Konsumgüter verwendet wor-
den ist. Nicht als direkter Verbrauch, sondern
über die gesamte Produktionskette hinweg.
Wenn wir zum Beispiel im Supermarkt Kartoffeln
aus Ägypten kaufen, womöglich noch in ökolo-
gisch korrekter Bio-Qualität, die pro Kilo glatt
140 Liter Wasser benötigen und das in einem
Land, das unter massiver Wasserarmut leidet.
Viel wüster treibt es allerdings das Steak, zu dem
die Kartöffelchen die Beilage bilden. Sage und
schreibe 16.000 Liter Wasser vertilgt ein Kilo
Rindfleisch im weltweiten Durchschnitt, bis es
auf unserem Teller landet.
Aber auch andere Produkte haben es in sich: ein
Blatt Papier: zehn Liter, ein Mikrochip: 30 Liter.
Großen Durst hat auch die Baumwolle: Ein
T-Shirt verschluckt schon einmal 2.000 Liter, eine
Jeans glatte 6.000 Liter. Unser aller Liebkind, das
Auto, hat schon bevor wir es in Betrieb nehmen
30.000 – 300.000 Liter Wasser verbraucht, pro
Stück, je nach Größe! Ja, selbst ein Maß Bier
„säuft“ bei der Herstellung 300 Liter.
Und das Wasser selber? In einem Liter abgefüll-
tem Wasser stecken ¼ Liter Erdöl und 0,1 kg
CO2
und, man stelle sich vor, drei Liter ganz
normales Wasser. Eine sonderbare Welt, nicht
wahr, in der man ganz normales Wasser unter
Verbrauchder dreifachen Menge seiner selbst
in Flaschen abfüllt und verkauft.
Über all das können wir nachdenken, wenn
es uns wieder einmal zu viel regnet hier im
wasserreichen Ländle.
Wasser ist allgegenwärtig. Wasser ist Leben.
Nur wir Menschen, die es so dringend brauchen,
behandeln es oft ausgesprochen schäbig. Aber
doch nicht in Vorarlberg, oder?
Die Wasser-Rahmenrichtlinie der EU vom
23. Okt ober 2000 hält gleich im ersten Satz fest:
„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern
ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und
entsprechend behandelt werden muss.“ Das
klingt gut. Tatsache ist hingegen, dass Wasser
weltweit gehandelt, bedroht, angegriffen und ent-
sprechend schlecht behandelt wird.
Auch unsere Bäche und Flüsse wurden viele Jahre
lang vergewaltigt, verrohrt, kanalisiert, begradigt,
gestaut. Wehren sie sich dagegen? Sprechen die
Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre
nicht eine deutliche Sprache? So einfach ist es
wohl nicht. Trotzdem: ein bisschen nachdenken
sollten wir schon. Darüber, wie wir mit der
Natur, mit und von der wir leben, umgehen.
Wasserscheichtum Vorarlberg
In Vorarlberg schaut es eigentlich ganz gut aus:
1.900 mm Niederschlag pro Jahr. Dreimal so viel
wie in Paris, weit mehr als doppelt so viel wie im
angeblich dauerverregneten London, zwanzigmal
so viel wie in der Sahelzone. So gesehen ist
Vorarlberg ein richtiges Wasserscheichtum. Die
Wasserqualität kann durchwegs als gut bis sehr
gut gelten. Wir können bedenkenlos den Hahn
aufdrehen und das daraus sprudelnde Nass ge -
nießen. Auch aus fast allen Bächen und Seen im
Land könnte man, ohne irgendwelche Schäden
befürchten zu müssen, direkt trinken. So wie jene
vier Millionen Deutsche, die das Wasser aus dem
Bodensee nahezu unbehandelt, weil so sauber,
aus ihren Leitungen zapfen.
Etwa fünf Milliarden Kubikmeter Wasser fallen
jährlich als Regen oder Schnee auf unser Ländle.
Der Bodensee speichert gar das Zehnfache des
jährlichen Niederschlags, also 50 Milliarden
Kubik meter. Damit käme jeder Landesbürger sage
und schreibe eine Milliarde Jahre aus. Denn jeder
von uns benötigt täglich rund 140 Liter Wasser,
also etwa 50.000 Liter oder 50 Kubikmeter im
Jahr. Sämtliche Haushalte zusammen, die gesamte
Industrie und noch die Landwirtschaft dazu ver -
brauchen gerade einmal ein Zehntel des Nieder -
schlags, der uns jährlich beglückt. Oder auch
nicht – es gibt ja Leute, die darüber jammern,
dass es bei uns zu viel regnet.
Wieso sollen wir uns also darum kümmern, ob
mit einer Klospülung zwei, sechs oder zehn Liter
Wasser den Bach runtergehen. Wird ohnehin aufs
Allerfeinste geklärt in der Kläranlage und wieder
in den ewigen Kreislauf zurückgeführt.
Zügelloser virtueller Wasser -
verbrauch
Also alles im Lot und mit allen Wassern gewa-
schen? Leider nein. Weil wir das Unheil anderswo
anrichten – mit unserem Lebensstil, unserem
Konsumverhalten. In Ländern und Regionen,
die für die dort lebenden Menschen bei weitem
nicht genügend Wasser besitzen, schon gar nicht
sau beres. Und das wenige, das vorhanden ist,
verbraucht wer? Wir! Wir? Ja – wir!
Wir reden hier vom virtuellen Wasser. Von jenem
Wasser, das nicht sichtbar und spürbar ist, aber
Willi Sieber,
Österreichisches Ökolo-
gie-Institut Bregenz,
www.ecology.at
DI Thomas Blank,
Wasserwirtschaft,
Land Vorarlberg,
www.voarlberg.at/
wasserwirtschaft
1 Kilo Äpfel:
700 Liter
1 Kilo Zucker:
1500 Liter
1 Kilo Reis:
3400 Liter
1 Kilo Rindfleisch:
16.000 Liter
Gäbe es einen solchen
Tropfen in der Realität,
wäre er rund fünf Meter
hoch und drei Meter breit
1 Liter Bier:
300 Liter
Ohne Wasser geht gar nichts
Gewässer sind
Lebensadern
Gedanken über unseren Umgang mit dem kostbaren Nass
2
Die künstliche Bewässerung für die Exportlandwirtschaft geht in trockenen Regionen oft zu Lasten der ortsansässigen Bevölkerung und der Natur.
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Augustavo
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Bowers
Fischerei sind dann aufgefordert, die öffentlichen
Interessen zu vertreten. Es ist natürlich wesentlich
wirksamer, wenn diese Interessen personifiziert
sind und ein Bürgermeister erkennt, dass es eine
Bevölkerungsgruppe oder Einzelpersonen gibt,
die in diese Richtung hinarbeiten.
vorum: Welche Beispiele fallen Ihnen dazu ein?
Thomas Blank: Die Renaturierung des Klaus -
bachs ist ein solches Beispiel. Wesentlich war hier,
dass eine Person aus der Gemeindevertretung
von Anfang an offensiv daran gearbeitet hat.
In Koblach haben wir einen Bürgermeister, der
Projekte zur Gewässerrenaturierung tatkräftig
unterstützt.
vorum: Was halten Sie von Bestrebungen, die der
Bevölkerung bewusst Flüsse und Uferlandschaften
als Erholungsraum nahebringen, wie beispiels -
weisedie Initiative rund um den Unterlauf der
Bregenzer ach mit dem Namen Fünf Gemeinden –
ein Fluss?
Thomas Blank: Die Aspekte Naherholung
und Freizeitgestaltung am Wasser sind für uns
im Zusammenhang mit Baumaßnahmen an
Gewässern sehr wichtig. Dies betrifft nicht nur
Renaturierungen, sondern auch Hochwasser -
schutzprojekte. Unsere Intention, mehr Raum für
Gewässer zu haben, nützt auch den Menschen.
Unsere Bäche und Flüsse sind Lebensadern in
einer oftmals dicht besiedelten Landschaft und
haben dadurch eine große Bedeutung als
Naherholungsraum.
vorum: Das Land Vorarlberg investiert in die
Planung und den Bau von Spielräumen – wären
Fluss landschaften nicht die günstigeren und
vielleicht auch die besseren Plätze zum Spielen?
Thomas Blank: In der Vergangenheit ging der
Trend sicherlich zu Gerätespielplätzen und zu
Spielplatzghettos in den Siedlungen. Dazu müssen
wir jedoch auch klar sagen, dass in der Ver -
gangen heit die Zugänglichkeiten zu den Gewäs -
sern durch Verbauungen und stark abfallenden
Böschungen vielfach einfach nicht gegeben waren.
Heute ist ein Gegentrend zu erkennen und
Gemeinden werden vom Land bei der Planung
und Umsetzung von Freiräumen zum Spielen
wirksam unterstützt. Hier schließt sich der Kreis
zu unserer wasserwirtschaftlichen Zielsetzung,
durch mehr Raum für den Hochwasserschutz
gleichzeitig mehr Raum für Mensch und Natur
an den Gewässern zu gewährleisten. Sie sehen
hier sehr schön, dass wir uns auf der Maß -
nahmenebene von unterschiedlichen Seiten und
Motivationen her auf ein gemeinsames Ziel hin-
bewegen.
vorum: Besten Dank für das Gespräch!
Ein Interview mit DI Thomas Blank, Leiter der
Abteilung Wasserwirtschaft beim Amt der
Vorarlberger Landesregierung, über Bewusst -
seinswandel und Synergieeffekte des Hoch wasser -
schutzes.
vorum: Herr Blank, mit welchen Maßnahmen sen-
sibilisiert die Abteilung Wasserwirtschaft die
Bevölkerung für wasserwirtschaftliche Themen?
Thomas Blank: Als Verwaltungseinrichtung kön-
nen wir viele Dinge auf den ersten Blick kaum
beeinflussen. Nichtsdestotrotz ist für uns der Weg
in die Schulen ein wichtiger Anknüpfungspunkt.
Hier wird ein zentraler Grundstein für die
Bewusstseinsbildung gelegt, beispielsweise über
den Sinn der Gewässerrenaturierung.
vorum: Wie schaut das Programm aus, das Sie
Schulklassen anbieten?
Thomas Blank: Unser Erlebnisprogramm für
Schul klassen am Fluss reicht vom Bau eines
Schiffs aus den Materialien vor Ort bis zu Land-
Art-Projekten, bei denen Schülerinnen und
Schüler Skulpturen aus Stein, Sand und Holz
bauen. All diese Aktivitäten unterstützen uns
dabei, die Gewässer gesellschaftspolitisch wieder
mehr ins Zentrum zu rücken. Nehmen wir hier
als Beispiel den Rhein: Hier kann man kilometer-
lang dem Rhein entlang fahren und sieht das
Gewässer nicht. Es gibt auch noch andere Bei -
spiele im Land wo man hinter dem Damm fährt
und das Gewässer nicht sieht und das Ufer erst
recht nicht zugänglich ist. Das war jahrzehntelang
kein Thema – man hat das Wasser, den Bach weg-
gesperrt. Heute wacht das Interesse dafür wieder
auf.
vorum: Insbesondere bei gewässerökologischen
Projekten trifft man ja häufig auf die Aussage
„Nur für ein paar Fische betreiben wir diesen
finanziellen Aufwand nicht ...“
Thomas Blank: Ja, es ist Fakt, dass häufig so argu-
mentiert wird. Wir von der Wasserwirtschaft, die
Sachverständigen vom Umweltinstitut oder der
Natürliche Gewässer sind für Spiel und Erholung bestens geeignet.
So viel „virtuelles Wasser“ braucht es für
die Herstellung dieser Produkte:
Quelle: www.beobachter.ch